Ein kulinarischer Streifzug durch Rom mit dem deutschen Starkoch Heinz Beck
Im römischen Schlaraffenland
Essen ist in Rom allgegenwärtig. Auf den Marktständen des Campo de Fiori strahlen tiefgelbe Zucchiniblüten mit feuerroten Tomaten um die Wette. In den Pizzerien locken üppig belegte, aber hauchdünn gebackene Pizze. Rom ist ein Fest für alle Sinne und ein Paradies für Genießer. Über nichts anderes reden Römer lieber als über das Essen. Gute Köche werden verehrt, der beste von ihnen vergöttert. Dennoch gibt sich Heinz Beck ganz menschlich. Ohne Starallüren empfängt er mich in seinem Restaurant La Pergola auf der Dachterrasse des Hotels Waldorf Astoria Rome Cavalieri. Der Gourmettempel thront hoch über der Ewigen Stadt auf dem Monte Mario. Der Blick ist atemberaubend: Tief unten schlängelt sich der Tiber vorbei an der Engelsburg. Vis-à-vis liegt das Centro storico mit seinen Monumenten, Plätzen und Parks zwischen Kolosseum und Vatikan.
Bei Heinz Beck wird Kochen zur Kunst
Noch besser als das Panorama ist das Essen. Das meine nicht nur ich, sondern auch der Guide Michelin. Seit 2005 zeichnen die angesehensten Gourmetkritiker Beck mit drei Sternen aus. Mehr geht nicht. „Hier wird das Kochen zur Kunst“, jubeln die Fachleute der französischen Feinschmecker-Bibel. Das Lob schmeichelt dem in Niederbayern aufgewachsenen Friedrichshafener, zu Kopf steigt es ihm nicht. Er hat bei Großen seines Fachs gelernt. Vor allem die Zeit im Drei-Sterne-Restaurant Tantris von Heinz Winkler in München hat ihn geprägt. Dort hat der Sohn eines Juweliers gelernt, dass sich Spitzenköche nie auf ihren Lorbeeren ausruhen können und sich jeden Tag neu beweisen müssen.
Der Mann hat viel um die Ohren. Dennoch sitzt er an diesem Morgen ganz gelassen bei unserem Treffen auf der Dachterrasse. Wahrscheinlich war er schon auf einen Cappuccino in seiner Lieblingsbar Sant' Eustacchio il Caffé in der Nähe des Pantheons. Seit 1938 wird dort Kaffee geröstet. Die Gebrüder Ricci importieren die Arabica-Bohnen für ihren köstlichen Espresso direkt aus Südamerika. Serviert wird der Wachmacher traditionell in gelben Tassen. Entspannt schwärmt Beck von der Leichtigkeit der mediterranen Küche. „Als ich 1994 nach Rom kam, sprach ich kein Wort Italienisch und kochte für den Geschmack hier mit viel zu viel Butter“, erzählt er. Um sich besser zu integrieren, nannte er sich in Rom anfangs „Enzo“. Inzwischen spricht er fließend Italienisch und ist seit 2001 mit einer Sizilianerin verheiratet. Beck ist ein echter Römer geworden, auch wenn er sich längst wieder Heinz nennt.
Römische Küche: Becks kulinarische Geheimtipps in Rom
Ob man einen Starkoch wohl fragen darf, wo man anderswo in Rom noch gut essen kann? „Aber klar doch, bei Il San Lorenzo zum Beispiel!“ Wer Fisch möge, sei dort immer gut aufgehoben, versichert er, während ich seine weiteren Empfehlungen notiere. Mit einem Notizblock voll mit Becks persönlichen Feinschmecker-Tipps für Rom ziehe ich los. „Wir sehen uns dann morgen wieder bei mir zum Abendessen“, sagt er und wünscht mir viel Spaß auf meinem kulinarischen Streifzug durch die Ewige Stadt. Wie von Beck empfohlen, starte ich mit einem leichten Mittagessen bei Il San Lorenzo. In dem Ristorante in der Nähe des Campo de Fiori kommt bester Fisch aus dem Thyrrenischen Meer auf den Tisch. Die Vielfalt ist überwältigend, die Qualität grandios: Von Austern über feinstes Fisch-Carpaccio bis hin zu klassischem Fritto misto gibt es alles, was das Herz begehrt. Besonders gut sind die Paccheri-Nudeln mit Schwertfisch und der im Salzmantel gegarte Fisch des Tages. Dazu einen herrlichen Vermentino-Wein von der toskanischen Küste – das ist la dolce vita!
Apropos süßes Leben: Für Kuchen und Gebäck empfiehlt Heinz Beck die Pasticceria Gruè im Stadtteil Parioli. Die Konditorei macht Naschkatzen mit kleinen, bunten Kunstwerken glücklich. Die Fantasie der Zuckerbäcker von Gruè scheint grenzenlos. Ihr Panetone, der klassische italienische Weihnachtskuchen, wurde zum besten Italiens gewählt. Bevor ich mich bei Gruè in Versuchung führen lasse, schaue ich noch schnell im Feinkostladen Salumeria Roscioli, wenige Schritte vom Restaurant Il San Lorenzo, vorbei. Riscioli ist eine Mischung aus Feinkostladen, Weinhandlung und Restaurant. Die Pasta dort ist ein Gedicht, die unzähligen Schinken- und Käsesorten sind göttlich. Kein Wunder, dass Roscioli immer berstend voll ist.
Gelato al caffè zum Niederknien
Von Riscioli ist es nicht weit zur Gelateria dei Gracchi kurz vor der Piazza Navona. In Becks Lieblings-Eisdiele koste ich seinen Favoriten, das Gelato al Café. Es ist in der Tat köstlich und belebend. Fast so wie die Granita al caffè im Tazza d' Oro direkt am Pantheon. Der gefrorene Kaffee mit zerstoßenem Eis und Sahnehaube ist gerade an heißen Tagen der Renner. So wichtig wie der schnelle Espresso ist den Römern der Snack zwischendurch. Römisches Fastfood sind wunderbar belegte Panini, die der Barista gern auf einem kleinen Grill warm macht, und „Suplì al telefono“ – kleine, frittierte Reisbällchen, in denen sich ein Stück Büffelmozzarella versteckt. Pizza isst Heinz Beck am liebsten in einer klassischen Pizzeria. Seine Lieblingspizzeria heißt nicht nur Il Fungo, sie sieht auch so aus, denn sie befindet sich in einem pilzförmigen Wasserturm. Der Turm ist Geschmackssache, die zusammen mit der „Akademie der italienischen Pizzabäcker“ erarbeiteten Rezepte sind es nicht – sie sind einfach fantastico!
Für den Absacker geht’s zurück ins Centro. Becks Lieblingsweinbar Del Frate liegt in der Nähe der Vatikanischen Museen. 1922 gegründet, ist die Enoteca längst zu einer Institution in Rom geworden. 500 Etiketten führt die Weinliste, die Küche schließt erst kurz vor Mitternacht – ideal für Nachtschwärmer. Ich trinke noch einen Serre Nuove vom toskanischen Kultweingut Ornellaia, und verschwinde in die Nacht. Morgen wird gefastet – zumindest bis zum Abendessen bei Heinz Beck.
Essen bei Beck: Nicht billig, aber jeden Cent wert
Das zehngängige Gourmet-Menü kostet stolze 260 Euro, ist aber für einen besonderen Anlass jeden Cent wert. Beck spielt mit virtuoser Leichtigkeit mit Aromen und Texturen. Jedes Gericht, von der Rotbarbe über den Hummer bis hin zur Lammkeule, ist ein intensives und harmonisch ausbalanciertes Geschmackserlebnis. Nicht fehlen darf eine von Becks berühmtesten Spezialitäten: Fagotelli La Pergola – die eleganteste Version der Pasta Carbonara. Der Starkoch füllt dafür eine feine Creme aus Ei und Pecorino in kleine Pastataschen und kocht diese kurz in Salzwasser. Dann schwenkt er die Fagotelli in angeschwitzten grünen Zwiebeln und einer Prise Pecorino. „Wenn sich diese lauwarme Sauce aus der Pasta in den Mund ergießt, ist das eine Geschmacksexplosion“, erklärt Beck. Allein für dieses Aroma hat sich der Besuch im La Pergola gelohnt, wenn nicht gar die ganze Reise nach Rom!