Arganöl: Marokkos flüssiges Gold für Haut und Haar
Knorrige Arganbäume sind bei Ziegen beliebt
Durch das südlich von Marrakesch gelegene fruchtbare Ourika-Tal fahre ich vorbei an Wasserfällen, kleinen Dörfern und Tajine-Buden. In der weiten Ebene sind die ersten Schönheiten zu sehen: die Arganbäume. Struppig, windzerzaust und knorrig stehen sie da. Ich erblicke ein besonders schönes Exemplar, schaue hoch und traue meinen Augen nicht. Die Äste sind voller Ziegen. Die Tiere lieben die Früchte und sitzen knabbernd in den Bäumen. Arganbäume wachsen nur im Südwesten Marokkos zwischen Essaouira und dem Antiatlas. Schon seit Millionen von Jahren schützen sie diese Gegend vor der Verwüstung. Doch es werden immer weniger. Deshalb wurde das Gebiet von der UNESCO 1998 zum Biosphärenreservat erklärt. Ein Arganbaum wird bis zu 400 Jahre alt, den größten Ertrag bringt er erst nach 50 bis 60 Jahren.
Herstellung auf traditionelle Art
In Marokko werden die Früchte des Arganbaums seit Jahrhunderten zur Herstellung von Öl genutzt. Im Sommer ist Erntezeit. Dann werden die heruntergefallenen reifen Früchte vom Boden aufgelesen. Wegen der vielen Dornen kann man sie nicht vom Baum herunterschlagen. Seit jeher kümmern sich Frauen um die Ernte. Sie haben schon immer kleine Mengen Arganöl für den eigenen Bedarf hergestellt. Heute arbeiten sie in Kooperativen und können dort Geld verdienen. Sie produzieren das kostbare Öl nach alter Tradition noch per Hand. Die jahrhundertealten Kenntnisse und Praktiken zur Nutzung des Baumes und seiner Früchte wurden 2014 als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt.
Wertvolle Tropfen mit wundersamer Wirkung
Längst hat es sich bei internationalen Kosmetikherstellern herumgesprochen: Arganöl hat eine heilende Wirkung, spendet Feuchtigkeit und ist entzündungshemmend. Durch seinen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren, Linolsäure, Vitamin E und Provitamin A ist es reich an Antioxidantien. Es hilft gegen Akne, Neurodermitis und hält die Haut jung. Für die Haarpflege gibt es nichts Besseres. Bei meinem letzten Hammam-Besuch in Marokko verwöhnte meine Badefrau die gewaschenen Haare mit Arganöl. Seitdem benutze ich für mein Haar nichts anderes mehr.
Wie aus Nüssen Arganöl wird
Von den Frauen der Arganöl-Kooperative Le Coin Berbere auf der Route de L'Ourika lasse ich mir zeigen, wie das Wunderöl gemacht wird. Ich schaue ihnen dabei zu, wie sie jede Nuss auf einen großen Stein legen und mithilfe eines anderen Steins bearbeiten, um das Fruchtfleisch zu entfernen. Danach wird die Nuss mit mehreren kräftigen Schlägen geknackt. Ein hartes Geschäft – schließlich sind Argannüsse fünfzehn Mal härter als Haselnüsse. Anschließend legen die Frauen die Nüsse auf eine Steinmühle und drehen so lange, bis ein dicker Brei herauskommt. Sie geben etwas Wasser hinzu, dann kneten sie kräftig. „Er wird jetzt so gepresst, dass sich das Öl von dem Rest trennt“, erklärt mir Fatima, eine der Frauen in der Kooperative. Ich probiere das köstliche Öl mit seinem feinen, leicht nussigen Aroma. Rund 30 Kilogramm Früchte ergeben etwa einen Liter Arganöl. Die marokkanischen Frauen brauchen dafür vier Tage. Gut verschlossen und lichtgeschützt hält das Öl etwa ein Jahr.
Arganöl für die Haut und für den Teller
„Nimm es als Gesichts- und Körperöl, es macht eine tolle Haut und schützt vor Falten“, gibt mir Fatima mit auf den Weg. Nebenan stehen die fertigen Döschen und Fläschchen. Ich probiere Cremes und Lotions mit Arganöl und das Öl zum Kochen. Schnell bin ich überzeugt. Nacheinander wandern sie in meinen Einkaufskorb. Ich koste auch das Berber-Nutella „Amlou“. Die leckere Creme aus gemahlenen Mandeln, Honig und Arganöl macht süchtig!
Längst haben auch Gourmet-Köche Arganöl für ihre feine Küche entdeckt. Es verfeinert Salate, Couscous, Fisch, Suppen und vieles mehr. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass der tägliche Verzehr vor einigen Krebsarten schützt und sich positiv bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und auf das Immunsystem auswirkt. Verkauft wird das Öl im ganzen Land. Doch aufgepasst: Günstiges Arganöl ist meist gepanscht und mit billigen Ölen vermischt. Die beste und oft biozertifizierte Qualität bieten Kooperativen im Südwesten Marokkos.
Mein Fazit: Ein Besuch bei den Frauen-Kooperativen im Südwesten Marokkos erweitert den Horizont und bietet eine gute Gelegenheit, nachhaltige und authentische Souvenirs zu kaufen.