Gran Canaria vor 1000 Jahren: Unterwegs zu archäologischen Fundstätten
Gáldar: Hauptstadt der Guanchen-Könige
Wir schreiben das Jahr 1873. Große Teile der Kleinstadt Gáldar, 30 km westlich von Las Palmas de Gran Canaria, waren damals Ackerland. José Ramos Orihuela bestellte sein Feld, als plötzlich der Boden unter den Füßen des Bauers einbrach. Ein Spalt öffnete den Weg zu einer großen Höhle mit bunten Höhlenmalereien. Die einstige Hauptstadt Agáldar wurde wiederentdeckt. Sie gehörte zum Königreich der Guanchen, der Ureinwohner der Kanarischen Inseln.
Vier Jahre brauchten die spanischen Konquistadoren, um den Sitz des Guanchen-Königs Guanarteme Tenesor Semidán zu erobern. 1482 schafften sie es und zerstörten die Stadt, die danach in Vergessenheit geriet. 1873 fand Orihuela den Eingang der „Cueva Pintada“, der bemalten Höhle. Es dauerte dann aber noch über 100 Jahre bis Forscher das Höhlensystem systematisch erkundeten. Mitten in der Kleinstadt legten sie ein riesiges Areal frei, das heute das Freilichtmuseum Cueva Pintada beherbergt. Es ist eine der bedeutendsten Fundstätten in Spanien.
Viehzucht und Natur-Götter
Die Forscher fanden Werkzeuge, Kleidungsstücke, Malereien, Gefäße, Kunst- und Alltagsgegenstände der Urkanarier. Die Funde liefern Informationen über die Bräuche und das Leben des Stammes. Sogar Skelette entdeckten die Wissenschaftler in einigen Höhlen. „Im Vergleich zu den Spaniern waren die Guanchen relativ groß, muskulös und sehr dunkelhäutig. Es handelte sich um einen Stamm aus Nordafrika“, erzählt mir eine Angestellte des Museums. Bevor sie die in Glasvitrinen aufbewahrten archäologische Funde zeigt, nimmt sie uns mit auf eine digitale 3D-Zeitreise ins prähispanische Gran Canaria. Die Ureinwohner züchteten Vieh, betrieben Landwirtschaft, hatten Krieger und glaubten an verschiedene Natur-Götter wie die Sonne und Dämonen.
Fantastische Höhlenmalereien
Nach der Tour durch das Museum erwartet mich der Höhepunkt: Von einer Aussichtsplattform blicke ich auf das überdachte, 5.000 Quadratmeter große und steil abfallende Areal hinunter, auf dem die Archäologen 60 Höhlen der Urkanarier freigelegt haben. Sie stammen aus dem 7. bis 15. Jahrhundert. „Über ein Drittel wartet noch darauf, ausgegraben zu werden“, so unser Tour Guide. Über einen nach unten führenden Steg erreichen wir die berühmte „bemalte Höhle“ mit ihren farbigen Malereien. Sie zeigen vor allem geometrische Formen und sind eines der wichtigsten Beispiele altkanarischer Kunst. Mein Interesse für die Guanchen ist geweckt. Ich möchte mehr über sie wissen. Auf der gesamten Insel können Höhlendörfer besucht werden. Eine spannende Fundstätte ist Cenobio de Valerón. Sie diente den Ureinwohnern als Kornspeicher und Tierstall. Die Höhle liegt an einem Berg mit spektakulärem Blick über das Land zum Meer.
Der größte Guanchen-Friedhof Spaniens
Ich fahre ins nur 20 Autominuten von Gáldar entfernte Agaete-Tal, wo sich der außergewöhnliche Archäologiepark Maipés de Agaete befindet. Er ist der größte Guanchen-Friedhof der Kanaren. Auf einem erloschenen Lavastrom sind sage und schreibe 700 prähistorische Gräber verteilt. Der Begriff „Gräber“ wäre zu viel. Es handelt sich eher um kegelförmige Grabhügel, sogenannte Tumuli, von denen einige älter als 1.300 Jahre sind.
Mittag mit frischem Fisch
Vom hochgelegenen Besucherzentrum habe ich einen guten Überblick. Ein angelegter Holz- und Steinpfad führt vorbei an Kakteen und Agaven über das Lavagestein zu zahlreichen Gräbern. Besonders beeindruckend ist das drei Meter hohe „Königsgrab“ mit einem Durchmesser von acht Metern. Ich schaue auf den in der Sonne glitzernden Atlantik und sehe das nur zwei Kilometer entfernte Küstendorf Puerto de las Nieves. Seinen Namen hat Puerto de las Nieves übrigens daher, dass man von hier den im Winter schneebedeckten Gipfel des Vulkans Teide sehen kann.
Im Restaurant Las Nasas bei Puerto de las Nieves kehre ich zum Mittagessen ein. Ich nehme auf der Terrasse des urigen Restaurants direkt am Strand Platz und bestelle ich mir einen traditionell zubereiteten Fisch. Dabei genieße ich den Ausblick aufs Meer und die umliegenden Berge. Bevor es mit der faszinierenden Geschichte der Urkanarier weitergeht, gönne ich mir erstmal eine Abkühlung im Atlantik. Der Strand direkt neben dem Restaurant ist der ideale Platz dafür.
Höhlensiedlung Risco Caído
Von Puerto de las Nieves mache ich mich auf den Weg zur Höhlensiedlung von Risco Caído. Sie wurde erst Anfang Juli in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Die Wanderung zu den archäologischen Funden führt durch die Schlucht Barranco Hondo. Hier leben heute noch viele Menschen in den Höhlenhäusern. Die Höhle des Risco Caído diente den Ureinwohnern als Platz für spirituelle Rituale. Es war auch ein astronomischer Orientierungspunkt, um die Saat- und Erntezeit kalkulieren zu können, erklärt der Archäologe Carlos Santana. Sprich, die Höhle war eine Art Kalender!
Höhlenrestaurant mit Ausblick
Teil des neuen UNESCO-Weltkulturerbes sind auch die heiligen Berge. Sie liegen in der unmittelbaren Umgebung im Tejeda-Vulkankessel. Der gigantische Roque Bentayga mit seinen Kult- und Begräbnisstätten ragt darüber empor. Doch die Sonne geht bald unter. Ein Besuch heute lohnt sich nicht mehr. Ich verschiebe den Roque Bentayga auf morgen, vielleicht verbinde ich ihn auch mit einer Wanderung. Meinen heutigen Tag auf den Spuren der Ureinwohner Gran Canarias beende ich mit einem Abendessen. Und was bietet sich nach einem Höhlentag mehr an, als ein außergewöhnliches Höhlenrestaurant? In Artenara kehre ich ins La Cilla ein und genieße beim Essen den herrlichen Blick auf den Roque Bentayga und die umliegenden Heiligen Berge.
Mein Fazit: Wer sich für Kulturgeschichte interessiert, ist auf Gran Canaria richtig. Hier sieht man die Kanaren von einer ganz anderen Seite. Quer über die Insel Gran Canaria verteilt gibt es archäologische Sehenswürdigkeiten. Malereien in Höhlen erinnern an das Leben der kanarischen Urbevölkerung. Bestimmt auch spannend für den Urlaub mit Kindern.