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Tag 1 – Pistaziengebäck, Skandal-Kunst und ein Schlummertrunk mit einem Krimi-Autoren

8 Uhr: Erlesener Input für Magen und Hirn

Das Frühstück im Hotel lasse ich ausfallen, denn die erste Station des Tages führt mich in die Cucchi-Konditorei im angesagten Navigli-Viertel. Ein Besuch hier gleicht einer Zeitreise in ein Mailand, das sich aus vornehmen Damen und diskreter Eleganz zusammensetzt. All die süßen Köstlichkeiten, von hausgemachter Eiscreme über sizilianisches Pistaziengebäck hin zu perfekt verzierten Schokotörtchen, lassen mich die gute Kinderstube vergessen. Unter den Stammgästen sind Künstler und intellektuelle Größen. Der italienische Philosoph Franco Bolelli etwa soll die mailändische Feinbäckerei als Außenstelle seines Wohnzimmers nutzen.

Eine Glasvitrine mit bunten Donut-Sorten. Quelle: Fancycrave

10 Uhr: Eine klare Meinung zum Kapitalismus

Genug genascht. Jetzt geht es in Richtung Provokation. Und das ausgerechnet vor dem Börsenplatz. Ein riesiger Stinkefinger ragt empor, wo die Mailänder traditionell seriöse Geschäfte machen. Er stammt vom italienischen Künstler und Skandal-Garanten Maurizio Cattelan, der mit seinen Werken inzwischen mehr Geld verdient hat als viele der dortigen Bankangestellten. Die Tatsache, dass die Stadt die Skulptur erlaubt: sehr souverän.

11 Uhr: Versöhnung mit der Hochkultur

Zu viel der Postmoderne? Dann auf zu einem Abstecher in die Pinakothek Ambrosiana. Die büchergefüllten, majestätischen Räume des Museums lassen meinen Atem stocken. Darüber hinaus zeigt der Kulturtempel auch weltberühmte Gemälde wie die historischen Zeichnungen des Atlantischen Kodex von Leonardo Da Vinci.

Erkunde die Kunst und Kulinarik von Mailand neben den großen Denkern!

14:30 Uhr: Kunst, Mode und Espresso in der Fondazione Prada

Auf Kunst folgt Design. Die Stiftung Prada ist der Ort, an dem sich Museum und Mode vermischen. Bei vier Dauerausstellungen fällt die Wahl schwer. Mein Favorit: Die neu eröffnete Ausstellung „Atlas" mit Werken aus den Jahren zwischen 1960 und 2016 von Größen wie Carla Accardi, Jeff Koons oder Mona Hatoum. Danach lockt von der Terrasse her herrlich duftender Espresso mit Blick über die Dächer der Stadt.

19:30 Uhr: Fisch und Pop-Art im Einklang

Jetzt ist die Mahlzeit wohlverdient. Und weil Milan bekanntermaßen der beste Ort Italiens ist, um Fisch zu essen, führt mein Weg ins Restaurant Skuisito La Bottega del Gusto. Meine Empfehlung: Unbedingt den „Tris di Pesce Crudo“, ein Fisch-Dreierlei, probieren. Pastaliebhabern lege ich alternativ die sizilianische „Pasta alla Norma" ans Nudelherz, ein sizilianisches Makkaroni-Gericht in Tomaten-Auberginensauce. An den Wänden leisten dabei die verrückten Gemälde von Giuseppe Veneziano Gesellschaft.

22 Uhr: Auf einen Drink in spannender Gesellschaft 

Neugierig auf den Maler geworden? Persönlich kennenlernen kann ich ihn mit etwas Glück bei einem Drink im Le Trattoir. Dort trifft sich Giuseppe nachts oft mit einem weiteren Stammkunden, dem Journalisten und Krimi-Autor Andrea G. Pinketts. Seine Romane spielen häufig in Mailand und sicherlich holt er sich hier gelegentlich seine Inspiration. Was Gäste hier beobachten, könnte schon bald Buchinhalt sein.

Tag 2 – Klosterarchitektur, Caffè und Party in einer Kirche

Sonne strahlt auf antike Buchrücken. Quelle: , Shawn m.c.

10 Uhr: Himmlische Ruhe 

Als Kontrastprogramm zur Pop-Malerei vom Vortag geht es heute in die Abtei Chiaravalle Milanese, eines der schönsten Zisterzienserklöster Italiens am Rand der Stadt. Ein paar Stunden in dieser absoluten Ruhe verweilen? Ein Segen. Besucher können sich hier meist frei bewegen und in die tausendjährige Architekturgeschichte der Zisterzienser eintauchen. Als kleines Aperitif vor dem nächsten Halt nehme ich mir eine hausgemachte Leckerei aus dem Klosterladen mit. 

Zwei Frauen mit Hüten laufen in der Sonne über einen Mailänder Platz. Quelle: Jessye Ann Ilagan

12 Uhr: Kunst oder Essen? Kunst und Essen!

Essen ist in Italien einer Kunst gleichzusetzen. Also warum nicht gleich im Designmuseum La Triennale etwas für den Gaumen finden, etwa im Garden Caffè, und dabei die restaurierte Brunnenanlage des Surrealisten Giorgio De Chirico besuchen? Cafés, Restaurants und Haute Cuisine verbinden sich in diesem Museum mit Theater, Ausstellungen, Kino und Events.

Auf einem Tisch mit rot-weiß karierter Tischdecke steht ein Teller mit Meeresfrüchtesalat und Besteck. Quelle: Agnieszka Werner

15 Uhr: Auf den Spuren von Journalisten und Verlegern

Indro Montanelli, dem berühmtesten Journalisten Italiens, ist ein zentraler Park gewidmet, der Giardini Montanelli. Er kam immer gerne hierher, wenn er seinen Dienst als Direktor der Tageszeitung „Il Giornale“ erfüllt hatte. Es geht weiter zur Buchhandlung des Schweizer Verlegers Hoepli, der Milano zu seiner Wahlheimat machte – sie ist eine der größten Buchhandlungen Italiens und bietet hier und da überraschende Fundstücke. Hier könnte ich stundenlang zu allmöglichen Themen stöbern.

Die Silhouette einer Frau steht vor einer Wand mit einem grün-roten Farbverlauf. Quelle: Eleonora Viviani

20 Uhr: Mailänder Schlemmer-Tradition 

Zum Abendessen dann eine bewährte Tradition Mailands: der Aperocena. Man zahlt ein bisschen mehr als für einen Drink, bekommt dazu aber Häppchen. Den besten Aperocena gibt es meiner Meinung nach in der Bar Basso. Ein besonderes Cocktail-Angebot ist der Negroni Sbagliato mit Sekt statt Gin – eine Erfindung des Hauses.

23 Uhr: Zum letzten Tanz in die Kirche

Der Abschluss? Das Tanzbein in der Disco Club Gattopardo schwingen. Das Kuriose daran ist, dass sich diese angesagte Diskothek in einer ehemaligen Kirche befinde – mit atemberaubender Architektur. Dass der Tag ausgerechnet hier endet, sollten die Mönche der Abtei Chiaravalle lieber nicht erfahren.

Mein Fazit? Milano muss nicht nur Shopping sein! Überall in der Stadt sind kleine Kultur- und Kulinarik-Highlights verborgen. Beim 48-Stunden-Kurztrip nach Mailand tauchen Feingeister ab ins echte Norditalien.

Alessandro Melazzini

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