Unterwegs in Lissabon: Immer den Azulejos nach
Portugiesisches Kulturgut
Sie zieren Kirchen und Kneipen, Häuser und Höfe, Bänke und Paläste. Sie ranken sich um Türen und Fenster und bringen Farbe in die Stadt – die Rede ist von Azulejos. Die bemalten, glasierten und vornehmlich quadratischen Kacheln sind seit Jahrhunderten in Gebrauch, übrigens nicht nur in Lissabon, sondern in ganz Portugal. Ihre fantasievollen Motive reichen von kleinen, ornamentalen Einzelmustern bis hin zu Geschichtsszenen in Form von großen Mosaiken.
Azulejo-Kunst in der Hauptstadt Portugals
Im alten Lissabon sind Azulejos überall Wegbegleiter: Besonders beeindruckend sind sie in der Straße Rua Garrett, entlang welcher ihr zum Praça Luís de Camões gelangt, dem zentralen Patz im Altstadtviertel Chiado. Von dort aus geht eine Straße den Berg hoch Richtung Süden, die Rua da Misericórdia. Hier könnt ihr ebenfalls rechts und links Azulejos bestaunen. Ich blicke auf komplette Hausfassaden, die bis in den vierten Stock mit Fliesen überzogen sind. Kunstvolle geometrische Muster in gelb, blau-weiß, grün und orange herrschen vor. Die traditionellen portugiesischen Fliesen verleihen dem jeweiligen Haus nicht nur seine Identität, sie isolieren auch gut und geben sogar Feuerschutz. Ich laufe weiter und entdecke in der nahen Rua da Trindade eine Reihe an mythologischen Motiven, die zum Beispiel Erde und Wasser symbolisieren.
Die erste Pause gönne ich mir in der Pastelaria Benard, ein seit 1868 bestehender Mix aus Konditorei und Café. Hier erwartet mich eine meterlange Gebäckauswahl hinter Glas und ich suche mir ein ruhigeres Tischchen im hinteren Bereich.
Portugiesische Handarbeit mit Liebe zum Detail
Nach der Einkehr im Café geht mein portugiesischer Fliesen-Streifzug weiter. Im Stadtteil Alfama bleibt mein Blick an Motiven von Heiligen hängen, zum Beispiel am Stadtpatron Antonius. Er ist der Beschützer der Häuser. Da wundert es kaum, dass seine Fliesen die Wände zahlreicher Gebäude in Lissabon zieren. Echte Lissabonner „Handarbeit“ entdecke ich an einem Haus in der Rua de Guilherme Braga. Souvenirjäger haben an der Fassade versucht, wertvolle Stücke der handbemalten Fliesen herauszubrechen. Geklappt hat es nicht, aber geblieben sind fiese Löcher. Ich spaziere weiter, es geht immer leicht bergauf, bis ich oberhalb der Alfama am Miradouro Santa Luzia ankomme. Der Ausblick auf die Dächer der Stadt und das Meer ist atemberaubend schön.
Ein eigenes Museum für die portugiesischen Fliesen
Der Stellenwert der portugiesischen Fliesen ist so hoch, dass ihnen sogar ein eigenes Museum gewidmet ist: das Museu Nacional do Azulejo. Das Museum – übrigens einzigartig in Portugal – ist in einem ehemaligen Kloster eingerichtet. Besucher erfahren hier einiges über alte Kacheln und bemalte Fliesen. So kommt das Wort „Azulejo“ nicht vom portugiesischen Wort für „azul“ („blau“), sondern aus dem Arabischen. Der Name leitet sich von „al zuléija“ ab. Übersetzt bedeutet das „poliertes Steinchen“. Urheber der Fliesen waren die Mauren. Sie hatten die Fliesen im Gepäck, als sie nach Portugal kamen.
Der museale Kachelspaziergang durch die Zeiten führt mich vor einen Hochaltar für Maria aus dem 16. Jahrhundert: Er ist 5 Meter hoch, 4,65 Meter breit und besteht aus 1.498 Azulejos. In der Kirche herrschen Wandszenen in blau-weiß vor. Sie zeigen Hirsche im Wald, das biblische Motiv „Moses und der brennende Dornbusch“ sowie ein Schäfergefolge. Ein humorvolles Mosaik ist die „Hühnerhochzeit“, bei der ein Huhn in einer Kutsche heranrollt und ein Affe auf einem Pferd sitzt.
Nach dem Museumsbesuch setzt sich die Fülle an Azulejos in zwei beeindruckenden Gebäuden Lissabons fort: in der Klosteranlage São Vicente de Fora und dem Palácio Fronteira, einen der großen Paläste Lissabons. Auch sie dürfen auf meinem Kachelspaziergang nicht fehlen.
Metrostationen als Galerien im Untergrund
Auch manche Metrostationen haben sich in regelrechte Azulejos-Galerien verwandelt. Da lohnen sich vielerorts Abstecher in den portugiesischen Untergrund. In den Stationen Anjos, Alvalade und Roma füllen symmetrische Fliesen die Wände.
In der Station Olaias reichen farbig-fantasievolle Steinplatten bis hinaus ans Tageslicht. Die Station Intendente im Südosten Lissabons hat die Künstlerin Maria Keil mit türkisfarbenen und weißen Bildern aus portugiesischen Kacheln gestaltet. Hingucker am Bahnhof Oriente sind Großmosaike, auf denen sich Fische, Seeschlangen, Segelboote und Nixen tummeln.
Azulejos für daheim
Ein Tipp zum Schluss meiner Azulejo-Tour: Wer sich auch nach seinem Portugal-Urlaub an die tollen portugiesischen Kacheln erinnern möchte, kann sich einfach welche für zu Hause besorgen. Die beste Anlaufstelle dafür ist der Laden Fábrica Sant’Anna. Die Manufaktur produziert seit 1741 Azulejos. Bei der Motivwahl gibt es nichts, was es nicht gibt – egal ob Hausnummern, Heilige, Blumen, Blüten, Katzen, Fische oder Möwen. Die Begeisterung für den portugiesischen Wandschmuck lässt sich also ohne Probleme mit nach Hause nehmen.