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Sehenswürdigkeiten und Abkühlung in den Hügeln

Wer im antiken Rom und im Mittelalter etwas auf sich hielt, der hatte eine Villa in den Colli Romani, den Hügeln Roms. Auch heute noch fühlen sich Römer im Umland der Stadt wohl, besonders in den Sommermonaten, wenn die Sonne die Straßen Roms in einen Backofen verwandelt. Die Hügel von Rom versprechen dann weitaus angenehmere Temperaturen. Eine der beliebtesten Anlaufstellen – damals wie heute – ist das etwas abgelegene Tivoli. Rund 30 Kilometer nordöstlich von Rom, in der Region Latium, empfängt das Städtchen am Fluss Aniene Ausflügler mit zahlreichen historischen Sehenswürdigkeiten.

Menschen sitzen in einem kleinen Café auf einem Marktplatz in der Altstadt Tivolis. Quelle: Alamy / Stefano Valeri

Neben Klima und idyllischer Kulisse ist die gute Erreichbarkeit ein weiterer Pluspunkt für Tivoli. Die Verbindung mit Bus oder Bahn von Rom aus ist hervorragend für eine Tagestour. Ich entscheide mich für den Regionalbus. Von der Metrostation Ponte Mammolo aus kutschiert das Unternehmen COTRAL seine Fahrgäste in relativ kurzen Abständen von Rom nach Tivoli. Am Ticketschalter hole ich mir direkt einen Fahrschein für die Rückfahrt, da er nicht im Bus verkauft wird. Es dauert nicht lange, bis nicht nur das geschäftige Treiben Roms, sondern auch die zersiedelten Randbezirke der Stadt hinter mir liegen. Weitläufige Wiesen und Felder ziehen am Fenster vorbei, als der Bus Kurs auf Tivoli nimmt. Bis zum Zentrum lasse ich mich allerdings nicht fahren. Die Villa Adriana  – auch Hadriansvilla genannt – liegt genau auf der Route. Die ehemalige Sommerresidenz des Kaisers Hadrian ist der ideale Startpunkt für meine Erkundungstour durch Tivoli.

Eine schmale Straße windet sich durch die Altstadt Tivolis im Sonnenschein. Quelle: Alamy / Stefano Valeri

Villa Adriana: Kaiserlicher Rückzugsort

Heiligtümer, Gärten und Hallen verteilten sich in der Hadriansvilla auf einer Fläche von 125 Hektar – umgerechnet sind das 175 Fußballfelder. Auf dem gesamten Areal der Villa Adriana geht es aber herrlich unaufgeregt zu. Gestresste Großstädter flanieren ganz ohne Hektik im Schatten der Bäume der Hadriansvilla. Hobby-Archäologen studieren in der Villa ausgiebig die Überbleibsel aus früheren Tagen. Selbst der italienische Bauer, dessen in die Jahre gekommener Traktor in einiger Entfernung eine kleine Staubwolke auf dem Acker aufwirbelt, scheint es nicht eilig zu haben.

Ein Wasserfall fließt durch eine herrschaftliche begrünte Villenanlage. Quelle: Alamy / Valerio Mei

Die Mauern der Villa Adriana sind eindrucksvoll. Das trifft besonders auf das „Teatro Marritimo“ neben dem Kaiserpalast zu. Umgeben von einem Kanal und einem Säulengang thront ein steinerner Sockel auf einer künstlich geschaffenen Insel. War Hadrians Villa die mutmaßlich prächtigste ihrer Zeit, hat ihr die Villa d'Este den Rang heute ein wenig abgelaufen. Die Villa d'Este wurde mehrmals renoviert, zuletzt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Als „Rohmaterial“ für die Villa d'Este diente im 16. Jahrhundert ein ehemaliges Benediktinerkloster. Nach und nach setzten Maler, Architekten und Gärtner die Vorstellungen von Kardinal Ippolito II d’Este – und die seines Nachfolgers Kardinal Alessandro d’Este – zu einem echten Gesamtkunstwerk um. Beeindruckend sind die Fresken und Mosaike im Inneren der Villa d'Este.

Wasser-Park auf Renaissance-Art 

Mehr noch als die Verzierungen in der Villa d'Este ziehen mich allerdings die  Gärten in ihren Bann, genauer gesagt: die Wasserspiele, bestehend aus Hunderten Fontänen und Springbrunnen. Überall um mich herum fließt, plätschert und tropft es. Während einige Kunstinteressierte und Gartenliebhaber die Installationen mit fachmännisch-kritischem Blick mustern, gehen ein paar Kinder unkomplizierter an die Sache heran. Mit einem vergnügten Lachen spritzen sie sich auf der „Allee der hundert Brunnen“ mit kühlem Wasser an. Der Ovato-Brunnen ist zwar ein wichtiger Ort auf dem Areal der Villa, nicht aber der berühmteste Brunnen von Tivoli. Diese Ehre wird dem Neptunbrunnen mit seiner Wasserorgel zuteil. Ob sich Franz Liszt wohl einst von den erhabenen Fontänen hat inspirieren lassen? Der begnadete Pianist schuf in der Villa jedenfalls seine „Giochi d’acqua“.

Erkunde den antiken Urlaubsort Tivoli vor den Toren Roms.

Ganz in der Nähe stürzt sich in der Villa Gregoriana der Fluss Aniene mit mächtigem Getöse mehr als 100 Meter in die Tiefe. Über Jahrhunderte hinweg hat der Nebenfluss des Tiber das „Valle dell'inferno“ in den weichen Kalkstein gefräst. Wie in Satans Wohnzimmer komme ich mir im Teufelstal zwar nicht vor, dennoch verfehlt die von bi-zarr geformten Grotten und Höhlen durchzogene Schlucht ihre Wirkung nicht. Für die alten Römer stand aber wohl eher der praktische Nutzen im Vordergrund. Über zwei Aquädukte leiteten sie das Wasser des Aniene bis in die Stadt.

Essen bei Sibylle, Dank an Vesta

Zu meinem Glück verstehen die Italiener nicht nur etwas von Wasser, sondern auch von gutem Essen. Nach der zwar gemächlichen, insgesamt dann aber doch kräftezehrenden Tour durch die drei Villen nehme ich im Sibilla Platz. Das Restaurant liegt direkt neben dem Tempel der Vesta und dem der Sibylle. Ob es ein Zeichen ist, dass Vesta als Göttin von Heim und Herd verehrt wurde? Meine Gebete für ein herausragendes Abbacchio jedenfalls, ein gerade im Latium sehr geschätztes Lammgericht, scheint sie erhört zu haben.

Stühle eines Restaurants stehen auf einer Terasse oberhalb einer römischen Grünanlage. Quelle: Alamy / Stefano Valeri

Die Zeit bis zu meiner Rückfahrt nach Rom vertreibe ich mir mit einem Bummel durch Tivolis Altstadt. Nach einem Besuch der von Papst Pius II. im 15. Jahrhundert erbauten Burganlage ist ein Stopp in der nur fünf Minuten vom Restaurant entfernten Gelateria Mariannina ein Muss. Die altehrwürdige Eisdiele versorgt ihre Kunden seit Generationen mit gefrorenen italienischen Köstlichkeiten. Genüsslich lasse ich mir ein Bällchen Zitroneneis auf der Zunge zergehen. Bei allen Annehmlichkeiten, die Hadrian in seinem Luxusdomizil genossen haben mag – auf dieses Geschmackserlebnis musste er verzichten, wenn er Abkühlung in den Hügeln vor Rom suchte …

Bernhard Krieger

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