Korfu, Split, Palermo, London: Wo 5 Omas das leckerste Essen auf den Tisch zaubern
Ich denke gern an die urige Küche meiner Oma zurück. An ihrem Küchentisch habe ich mich immer besonders geliebt gefühlt. Meine Oma wohnt heute wie damals auf Korfu. Sie heißt wie ich Anastasia und wir kochen beide gern für Freunde und Familie. Jede Mahlzeit dreht sich um ein frohes Miteinander. Ich fand es wichtig, die Rezepte meiner Oma zu bewahren und mit anderen zu teilen. Dabei bin ich auf den Geschmack gekommen, hörte mich um und befragte Freunde zu ihren Großmüttern. Was als Sammlung meiner eigenen Familienrezepte begann, ging auf wie ein Hefeteig und entwickelte sich zu einem ambitionierten Projekt. Die Mission: Omas in aller Herren Länder besuchen und mit ihnen kochen.
Hungrig nach Rezepten und Begegnungen reiste ich von Großbritannien nach Griechenland, Frankreich, Spanien, Italien, Kroatien, Polen, Russland und sogar nach Kuba, Mexiko und in die USA. Überall kochte ich mit Nonnas, Abuelas und Omas jeweils ein Wochenende lang, ob in einem herzoglichen Palast oder einer einfachen Taverna. Das Projekt habe ich Matriarch Eats genannt, zu Deutsch "Die Essen der Matriarchin". Bilder von meinen generationsübergreifenden Treffen poste ich regelmäßig auf Instagram. "Yiayia", mein zweites Buch zum Thema, soll dir die authentische Küche deiner Reiseziele, zubereitet von den coolsten Omis Europas, näherbringen. Für einen Vorgeschmack stelle ich hier fünf Kochkünstlerinnen vor.
Yiayia
Geboren auf: Korfu, Griechenland
Lebt auf: Korfu, Griechenland
Alter: 85 Jahre
Yiayia ist das griechische Wort für Großmutter. Meine Yiayia ist eine ganz wunderbare Dame. Sie war eine der älteren von zehn Geschwistern und wurde aufs Feld geschickt statt in die Schule. Dafür lernte sie Wildkräuter zu sammeln, das Feuer im Ofen zu entfachen, Sauerteigbrot zu backen, im Einklang mit den Mondzyklen Gemüse anzupflanzen und leckere korfiotische Gerichte auf offener Flamme zu kochen, etwa den zimtigen Stifado-Schmortopf. Yiayia hat eine schneidende Zunge, ist stoisch und manchmal sogar furchteinflößend; also nicht das Sinnbild einer liebenswürdigen Kuschelomi. Ihr missbilligender Blick bohrt sich einem in die Seele. Der Legende nach fesselte sie einmal meinen siebenjährigen Vater zur Strafe an einen Baum, direkt vor einem Ameisenhügel. In der Küche dagegen versprüht sie pure Leidenschaft. Yiayia bekocht meine Familie und beweist uns so ihre Liebe. Angeregte Gespräche und schallendes Gelächter sind genauso Teil unserer Mahlzeiten wie das einfache, aber fantastische Essen, das sie auftischt. Auf unserer Heimatinsel Korfu biete ich gemeinsam mit meiner Oma Kochkurse an.
Mehr anzeigenDagmar
Geboren in: Ruma, Serbien
Lebt auf: Sveti Klement, Kroatien (Split)
Alter: 79 Jahre
Dagmars Zuhause Palmižana liegt auf Sveti Klement, einer kleinen kroatischen Insel vor der Küstenstadt Split. Ihr Schwiegervater Eugen Meneghello war ein passionierter Botaniker und kaufte die Insel 1906, um sie in ein Gartenparadies zu verwandeln. Er brachte dafür Kräuter und Blumen aus aller Welt hierher. Gemeinsam mit ihren drei Kindern und dem Enkel betreibt Dagmar heute eine spleenige Herberge auf der Insel. Das Familienhaus, in kräftigem Rot und Blau gestrichen, ist nun das Restaurant Palmižana Meneghello. Die Wände hängen voll verrückter Gemälde und Eugens Erbe lebt in den Rosmarinbüschen, Oliven- und Orangenbäumen rund um das Haus fort. Die Kakteen, die er einst aus Mexiko mitbrachte, sind inzwischen zu dornigen Riesen herangewachsen. Auf Dagmars Geheiß zünden zwei braungebrannte Helfer in der Küche ein mächtiges Feuer an. Über den züngelnden Flammen kocht Dagmar ihr Gregada, eine Fischsuppe aus rotem Skorpionsfisch (sonst eher in einer Bouillabaisse zu finden), Zackenbarsch, Garnelen und Muscheln.
Mehr anzeigenNicoletta
Geboren in: Venedig, Italien
Lebt in: Palermo, Italien
Alter: 70 Jahre
Nicoletta bereitet ihr sizilianisches Lieblingsdessert zu, während ihr Mann beginnt, den Tisch zu decken. Eine Szene, wie sie im Bilderbuch für häuslichen Lebensalltag stehen könnte, würde sie sich nicht in der Kulisse eines sizilianischen Palastes aus dem 18. Jahrhundert abspielen. Dazu muss man wissen, dass Nicoletta keine gewöhnliche Großmutter ist, sondern die italienische Herzogin von Palma. „Leider hat eine moderne Herzogin keine Zeit für die Maniküre“, sagt sie schulterzuckend.
Während wir uns unterhalten, schiebt sie ein Blech mit Rosmarinkartoffeln in den Ofen und gießt einen Tee auf. Dann bittet sie ihren Mann Herzog Gioacchino Lanza Tomasi, Adoptivsohn von Giuseppe Tomasi di Lampedusa, Italiens bekanntestem Autor, er möge doch bitte mit dem Tischdecken warten, bis der Geschirrspüler sein Programm beendet hat. Nicoletta würzt den Kochunterricht in ihrer fürstlich ausgestatteten Palastküche mit einer ordentlichen Prise sizilianischer Geschichte. Sie ist eben ganz die echte Matriarchin. Herzogin Nicoletta gibt Kochkurse in einem blau-gefliesten Traum von einer Küche in ihrem Palast aus dem 18. Jahrhundert, direkt in Palermo.
Mehr anzeigenTinh
Geboren in: Hanoi, Vietnam
Lebt in: London, England
Alter: 74 Jahre
Tinh ist winzig. Außerdem hat sie die meisten Tattoos und trägt lässige schwarze Nike-Latschen. Ihre Tochter betreibt das Hanoi Cafe in Londons Hipster-Hochburg Hackney. Mit ihrem extrascharfen vietnamesischen Messer bewaffnet, bereitet Tinh in ihrer Küche daheim Frühlingsrollen zu. Die Karotten müssen in feine Streifen geschnitten werden, damit sie später in Reispapier zu kleinen Paketen zusammengeschnürt werden können. All das erledigt Tinh mit äußerster Präzision. Ein fesselnder Anblick. Bald hat sie einen stattlichen Haufen Rollen zusammen. Dann heißt es: rein damit ins heiße Öl. Beim Frittieren plustern sich die Röllchen auf und werden knusprig und golden. Zum Schluss schneidet Tinh die Rollen mit einer Schere in zwei Hälften und serviert sie mit Nudeln, Erdnusssoße und Salat. Absolut süchtig machend! Tinhs Gerichte stehen im Hanoi Cafe, das sich im Osten von London befindet, auf der Speisekarte.
Mehr anzeigenMarietta
Geboren auf: Ikaria, Griechenland
Lebt auf: Ikaria, Griechenland
Alter: 79 Jahre
In Mariettas Taverna gibt’s meist zuallererst einen selbstgemachten Schnaps. Egal zu welcher Tageszeit. Ikarier sind bekannt für ihre Langlebigkeit und auch Yiayia Marietta sieht jünger aus, als sie ist. Manche behaupten, das mache die griechische Ernährung, die viel Gemüse enthält. In Mariettas Fall ist es aber vielleicht auch ihr Schnaps. Sie selbst beteuert, dass es die Mahlzeiten mit der Familie und einem Glas Wein sind, die sie jung halten. Und ein paar Partien Backgammon mit Freunden. Ihr Sufiko, ein Gericht mit Sommergemüse aus dem Garten, schwimmt in Olivenöl. Sie schwört auf dessen Geschmack und meint auch, das Öl wäre wichtig für ein langes, glückliches Leben. Marietta serviert Sufiko in Marathitis Grill in Ikaria. Ikaria ist nur eine kurze Bootsfahrt von der größeren Insel Samos entfernt.
Mehr anzeigenDieser Artikel ist erstmals im WINGS Magazin erschienen.