Kölsch als Kulturgut: In Kölner Brauhäusern die Seele der Stadt finden
Päffgen Kölsch und Kölscher Kaviar vom Hinterhof
Nach einer längeren Abwesenheit ist meine Freude besonders groß auf ein frisch gezapftes Kölsch im Brauhaus Päffgen. Zu vier Fünfteln mit goldgelbem Bier gefüllt und bis zum Rand der typischen Stange mit Schaum bedeckt. „Zum Wohle“, sagt der Köbes (so nennt man den Kellner im Brauhaus), der alle paar Minuten mit einem Kranz gefüllter Gläser durch die Traditionsgaststätte streift. Das Päffgen Kölsch überzeugt mich durch seine feine Balance aus herben Hopfennoten und leicht süßlichen Malzaromen. Seit 1883 ist seine Rezeptur unverändert lecker, für die – wie beim bayrischen Weißbier oder beim englischen Ale – obergärige Hefen eingesetzt werden. Sie haben den Vorteil, dass die Vergärung schneller und ohne Kühlung in Gang gesetzt wird. Geschmacklich, erklärt mir der Köbes, sind sie weniger herb und herrlich süffig.
Als Grundlage zum Bier gönne ich mir Kaviar. Keinen russischen natürlich, sondern kölschen. Der entpuppt sich auf dem Teller als deftige Blutwurst mit Roggenbrötchen, Zwiebeln und Senf. Als mein Kölscher Kaviar kommt servieren mir der Köbes – nicht ohne Stolz – gleich noch eine Kölsch Info mit: Dass nämlich der Rat der Stadt Köln bereits 1412 festgelegt hat, ausschließlich Hopfen, Malz, Wasser und Hefe zur Herstellung des Bieres zuzulassen. Über 100 Jahre also vor Inkrafttreten des Deutschen Reinheitsgebots 1516. Päffgen Kölsch wird bis heute im Hinterhof des rustikalen Brauhauses produziert. In blank polierten Messingtanks – ganz so, wie es die Fans von Craft Beer fordern. So rühmt sich die kleine Brauerei denn auch eines typischen Merkmals für handwerkliche Produktion: Das Bier, sagt der Köbes, schmeckt von Sud zu Sud anders. „Aber garantiert immer gut.“
Vom kleinen Anbieter: Bio-Bier aus der Bügelflasche
Insgesamt 27 Brauereien stellen ihr eigenes Kölsch her, das eine geschützte Markenbezeichnung ist und nur in der Region in und um Köln gebraut werden darf. Gaffel Kölsch, Reissdorf Kölsch und Früh Kölsch teilen 60 Prozent des Marktes unter sich auf. Doch es gibt auch kleinere Brauereien. Dazu gehört seit 1991 Hellers, meine nächste Station. Im Brauhaus in der Roonstraße bekomme ich mein Bio-Bier in einer auffälligen Bügelflasche.
Der Pionier in Sachen Bio-Kölsch ist tolerant, denn er hat auch Pils und Weizen im Angebot. Das stört in Köln niemanden. Was mich aber wundert: Selbst die Tatsache, dass mit hausgebrautem Alt auch der abschätzig beäugte Gerstensaft aus Düsseldorf aus dem Zapfhahn fließt, wird akzeptiert.
Freundlich und modern – ein modernes Brauhaus in der Südstadt
Ganz so weit geht Till Riekenbrauk nicht. Dafür hat sich der Jungunternehmer vorgenommen, in der Südstadt ein modernes Brauhaus mit Tradition zu schaffen. In der Elsaßstraße hat er mit der Spedition Johann Schäfer jene Räume übernommen, welche die Kölner Mundart-Band Bläck Fööss in ihrem Gassenhauer „Polterovend en d’r Elsassstroß“ besungen haben. Ich wähle natürlich ein Kölsch (Gaffel) und bekomme dazu Blumenkohl in Schwarzbrotsauce und Bio-Fleisch. Beim Essen wird hier Wert gelegt auf regionale und saisonale Zutaten. Aus dem Zapfhahn kommen außerdem das eigene Südstadt-Pils und ein Chlodwig-Weizen, die der Chef nach eigener Rezeptur bei einer Brauerei in Auftrag gibt. Als am Nebentisch Tee bestellt wird, erwarte ich kurz ein Donnerwetter – doch Riekenbrauk kommt ohne die typische Ruppigkeit der Köbesse aus. Wer einen Tee bestellt, muss sich bei Johann Schäfer keinen Spruch wie „wir sind ein Brauhaus, kein Sanatorium“ anhören.
Im Veedel: Auf der Suche nach der kölschen Seele
Es wird wieder urig: Im Früh em Veedel treffe ich auf eine echte kölsche Seele in Form von Karl Schroeders. Der Mann mit dem markant gezwirbelten Schnauzbart ist der Zappes (Zapfkellner) der Eckkneipe, in der Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll sein erstes Bier getrunken hat. Heute treffen sich Kölner aus allen Veedeln und Milieus in der Kneipe. Ich bemerke, dass diese ganz ohne Musik auskommt und zahle für mein Kölsch nur 1,40 Euro. Man „klönt“ unter sich und „palavert“ mit Fremden, wie die Gesprächsführung auf Kölsch in feiner Differenzierung umschrieben wird. So wird mir direkt erläutert, dass hier das Bier selbst an wildesten Karnevalstagen in Gläser fließt – und nicht in Plastikstangen. Manchmal gibt’s dann aber doch Musik: Weil ich allein komme, werde ich wieder mit den Bläck Fööss empfangen: „Drink doch ene mit“. So wird der Genuss von Kölsch zum verbindenden Element.
Mein Fazit: Kölns Brauhäuser und Kneipen sind das genaue Gegenteil von verstaubt – jedes ist auf seine eigene Weise charmant, traditionell oder modern. In jedem Fall voller Charakter und jeder Menge gutem Kölsch.