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Städtereise in die Fischerstadt

Kleine blaue Boote schaukeln im Hafen von Essaouira. Ein Fischer kommt mit reicher Beute zurück. „Frische Schwertfische, Barsche und Rotbrassen“, ruft er und verkauft seinen Fang direkt vom Boot. Ein paar Meter weiter hinter der Stadtmauer stehen seine Kollegen. Es wird gerufen und gehandelt. Ein Fisch nach dem anderen geht über den Tisch. Die Einheimischen sind schon früh auf den Beinen. „Hier ist wieder was los“, sagt ein guter Freund von mir, mit dem ich auf dem Fischmarkt verabredet bin. Hier gibt es den besten Fisch in ganz Marokko. Auch wir kaufen bei dem Fischer mit reicher Beute ein. Mein Freund und er kennen sich schon lange. „Er weiß alles über die Fische, nimmt sie in die Hand und riecht sofort, wie gut und frisch sie sind“, sagt mein Begleiter. Wir bummeln zusammen über den Fischmarkt und genießen das bunte Treiben am Hafen. Nach und nach wird es voller. Die hübschen Boote in der Sonne sind das beliebteste Fotomotiv.

Blaue Fischerboote treiben auf dem Wasser vor der Stadtmauer Essaouiras. Quelle: Alamy / Kim Petersen, mauritius images / Alamy / Kim Petersen

Frischer Fisch aus dem Meer

„Hinter dem Gemüsemarkt in der Altstadt gibt es in den Seitengassen kleine Restaurants, die den gekauften Fisch ihrer Gäste frisch zubereiten“, erzählt mein Freund. Auf dem Markt holt man dann noch Brot und frische Minze für den Tee. Gekocht wird wie bei Mama. Der frische Fisch wird ausgenommen, mariniert, gewürzt und auf einem riesigen Grill gegart. Die besten Adressen sind kleine Familienrestaurants, meist von Freunden der Einheimischen geführt. Namen sucht man vergeblich, aber die Fischer haben immer einen guten Tipp. 

Wenn die Stadt zur Bühne wird

Essaouira ist nicht nur für seine hervorragende Fischküche berühmt, sondern auch ein beliebter Drehort bekannter Filme und Serien. Als Sklavenstadt „Astapor“ war der Ort jüngst in der Kultserie „Game of Thrones“ zu sehen. Schon 1952 nutzte Orson Welles Essaouira für seine „Othello“-Verfilmung. Und Ridley Scott rekonstruierte hier 2004 das mittelalterliche Jerusalem für seinen Film „Königreich der Himmel“. 

Marokko ist mehr als Marrakesch und Agadir. Erlebe die Hafenstadt Essaouira.

Seit 1998 verwandelt das Musikfestival Gnaoua die Stadt jeden Juni in eine riesige Bühne. Auf den Plätzen spielen Bands, auf den Straßen wird getanzt bis in die Nacht. Die Gnaoua-Musik ist sehr rhythmisch und wenig instrumental. Sie hat ihren Ursprung in Westafrika und ist aus den Kulturen verschiedener Länder entstanden. Längst haben internationale Künstler die Musik, das Festival und die Hafenstadt nördlich von Agadir für sich entdeckt. Viele Jazzmusiker haben sich von der lebensfrohen Musik inspirieren lassen. In den 1960er-Jahren kamen Jimi Hendrix, Led Zeppelin und Carlos Santana. Heute gehören auch Sting und Wolfgang Niedecken von BAP zu den Stammgästen, die mit afrikanischen Musikern zusammenarbeiten. Das Festival ist ein Erlebnis! Wer es besuchen will, sollte seine Unterkunft weit im Voraus buchen.

Sehenswürdigkeiten und harte Verhandlungen

Während mein Freund alte Bekannte besucht, spaziere ich an der Stadtmauer entlang. Ich genieße den Blick aufs Wasser, die winzigen vorgelagerten Inseln und auf die weiße Stadt, die wie auf einem Thron ins Meer ragt. Nach wenigen Minuten erreiche ich eine der schönsten Sehenswürdigkeiten des Ortes: die Medina, die Altstadt. Essaouira heißt frei übersetzt „welch schönes Bild“. Treffender könnte der Name nicht sein. Die hübschen Plätze mit ihren kleinen Cafés und quirligen Märkten, die weißen Häuser in den engen Gassen und die blauen Boote machen den Charme der Stadt aus. Die malerische Medina gehört seit 2001 zum Weltkulturerbe und sieht im Großen und Ganzen noch so aus wie vor 300 Jahren. Übrigens: Vor der Unabhängigkeit Marokkos wurde die Stadt auch Mogador genannt. Der Name reicht zurück ins 15. und 16. Jahrhundert, als die Portugiesen Teile der marokkanischen Atlantikküste eroberten. Nach der Eroberung der Essaouira vorgelagerten Insel bauten sie eine Festung. Deren Namen – Mogador – sollen sie mit Respekt für den Schutzpatron der Stadt, den islamischen Heiligen Sidi Mogdul, gewählt haben.

Künstler und geheimnisvolle Kästchen

Ich bummle weiter durch die Gassen und bleibe vor dem Schaufenster einer kleinen Bäckerei stehen. Unzählige lecker aussehende Kekse und Gebäck aller Art liegen in der Auslage. Diese Bäckereien sind typisch in Marokko. Man findet fast in jeder Straße eine. Außerdem ist es erlaubt, Gebäck zu kaufen, mit in ein Café zu nehmen und es dort zu essen. Ich lasse mir ein paar köstliche Süßigkeiten in der Pâtisserie Driss zusammenstellen. Darunter sind Ghoriba, die typischen Mandelplätzchen aus Essaouira, Kringel mit Zimt, Kardamom und Sesam, Hörnchen mit Marzipan und Orangenblütenwasser und Chabakia, Honiggebäck mit Mandeln. Nur ein Kaffee fehlt noch. Ich spaziere zum großen Platz Moulay Hassan und suche mir ein Plätzchen im Café La Mouette d’Essaouira.

Blick in eine schmale marokkanische Gasse, in die die Sonne scheint. Quelle: Jos Gouveia, Jos Gouveia / EyeEm Mobile GmbH

Nach der Stärkung feilsche ich in den Gassen mit den Schuhverkäufern um den Preis ihrer Ware. Wer etwas kaufen will, sollte immer handeln, feste Preise gibt es nicht. Anschließend schaue ich den Holzschnitzern über die Schulter. Sie sind berühmt für ihre wundervollen Intarsienarbeiten für Möbel und geheimnisvolle Kästchen. Nachdem mir der Meister erklärt hat, wann ich welches Teil schieben, klappen und drehen muss, gelingt es mir, das Kunstwerk zu öffnen. Aus Essaouira kommen auch gute Silberschmiede und schöner Silberschmuck. 

Der Strand der Stadt des Windes

Jetzt zieht es mich an den Strand. Bei starkem Wind erobern Surfer die Küste. Heute hält sich der Wind in Grenzen. Ich setze mich in den Sand, genieße die Weite und die frische Brise. Eine Gruppe Marokkanerinnen hält die Füße ins Wasser und plaudert. Jogger laufen den kilometerlangen Strand entlang und neben mir baut ein Vater mit seinem kleinen Sohn Sandburgen. Langsam füllen sich die Cafés und Restaurants. Ein kleiner Kaffee geht immer, denke ich mir, packe meine Sachen und setze mich ins Ocean Vagabond. Wer sich fit für die nächste Welle machen will, findet hier Informationen und Kurse von Windsurfen, Kitesurfen bis hin zum Wellenreiten. Wer es eher gemütlich mag, genießt den Blick aufs Wasser von einem Kamelrücken aus. Haltet dafür einfach Ausschau nach dem nächsten Kamelbesitzer.

Wo mittags und abends Fisch auf den Tisch kommt

Am Abend treffe ich meinen Freund wieder. Wir genießen den Sonnenuntergang und frischen Fisch in einem Restaurant an der Küste. Von den köstlichen Fischgerichten können wir einfach nicht genug bekommen. Anschließend schlendern wir noch ein bisschen durch die Gassen und lassen den Abend bei einem Cocktail und Live-Musik in der angesagten Rooftop-Bar Taros ausklingen – und ich freue mich schon auf den nächsten Tag in dieser zauberhaften Hafenstadt.

Katja Gartz

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