Besuch bei den besten Winzern der Toskana
Auf dem Weg zu einem der besten Weine
Wenn ich von der alten Römerstraße Aurelia die schnurgerade Zypressenallee fahre, bin ich immer wieder überwältigt. Mehr als 2.500 schlanke Bäume recken sich rund 15 Meter hoch in den Himmel. Sie stehen rechts und links neben der leicht ansteigenden Straße und sind für mich der Inbegriff der Toskana. Graf Della Gherardesca hat sie im 19. Jahrhundert in Reih und Glied anpflanzen lassen. Seit weit mehr als 100 Jahren trotzen sie Stürmen, Platzregen und italienischer Sommerhitze. Sie sind das alte Wahrzeichen der Toskana. Das junge Wahrzeichen wächst hingegen rechts und links der berühmten Zypressenallee: Wein. Nicht irgendeiner, sondern einer der besten Weine Italiens. Ja, sogar einer der besten weltweit. Und daran hat ein Deutscher keinen geringen Anteil. Der Münchner Weinmacher Axel Heinz. Er ist für die Produktion des legendären Ornellaia verantwortlich.
Super Toskaner mit Weltruhm
Der Rotwein Ornellaia gehört zum erlauchten Kreis der von amerikanischen Weinkritikern „Super Tuscans“ genannte Tropfen. Diese „Super Toskaner“ erfand Piero Antinori Anfang der 1970er-Jahre mit dem Tignanello. Der „König der italienischen Weine“ setzte nicht auf die Sangiovese-Traube, die den Chianti und den edleren Chianti Classico dominiert. Stattdessen schuf Antinori ein für die Toskana neuartiges Cuvée im Stil großer Bordeaux-Weine. Dafür setzte er sich sogar über das örtliche Weinbaugesetz hinweg. Marchese Niccolò Incisa della Rocchetta folgte dem Beispiel seines Neffen. Auf dem Weingut San Guido versuchte er sich ebenfalls an einem Super Toskaner. Mit großem Erfolg! Sein Rotwein Sassicaia wurde zu einer Ikone.
Ähnliches gelang der Tenuta dell'Ornellaia. „Super Tuscans wie unser Ornellaia bestehen aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot“, erklärt mir Axel Heinz. Das Cuvée reift in kleinen französischen Barrique-Fässern. Daraus entstehen harmonische, vollmundige Weine im Stil großer französischer Gewächse. Viele Weine von Axel Heinz überzeugen aber durch ihren frischen und fruchtigen Geschmack, auch die älteren Jahrgänge, und hier schmeckt man den feinen Unterschied zwischen Bordeaux, Chianti und dem Supertoskaner.
Ein toskanischer Wein ohne Limits
Der Aufwand, den Weinmacher wie Heinz treiben, ist enorm. „Wir ernten nicht einfach alle Trauben zusammen, sondern jede Parzelle eines Weinbergs genau im richtigen Moment“, erzählt der Deutsche. So dauert die Lese fast zwei Monate. Alle einzelnen Parzellen werden dann separat im Keller verarbeitet und in kleine Fässer gefüllt. Nach rund zwölf Monaten kreiert Heinz aus bis zu 80 einzelnen Weinen das magische Cuvée des Ornellaia. Der beeindruckende Keller des italienischen Weingutes befindet sich ganz in der Nähe der Zypressenallee.
„Wir haben das Glück, in der Toskana über außerordentliche Top-Lagen zu verfügen und über die Möglichkeiten, unsere Vision eines großen Weins ohne Limits zu verwirklichen“, schwärmt der Münchner. Das Weingut Ornellaia gehört der Familie Frescobaldi. Sie produziert mit dem Masseto einen weiteren Super Tuscan. Viele Faktoren führen dazu, dass Weine wie der Ornellaia so grandios werden. Die finanziellen Möglichkeiten der Frescobaldis, die Qualität der Rebsorten und die Extraklasse des Chefönologe gehören dazu. „Auch diese einzigartige Weinregion rund um Bolgheri spielt eine Rolle“, sagt Heinz. Die Nähe zum Meer sorgt in heißen Sommern für kühle Brisen. Die Reflexion des Sonnenlichts auf dem Wasser garantiert Extra-Energie für das perfekte Ausreifen der Trauben.
Kleines Weinanbaugebiet, viele Produzenten
Heinz hat in Frankreich Weinanbau studiert und lange dort gearbeitet. Er liebt die Weinregion. Seit 2005 arbeitet er in der Tenuta dell'Ornellaia. Nach Anmeldung kann man sie besichtigen. „Wir nehmen uns viel Zeit für unsere Gäste. Wir führen sie durch unsere Keller und lassen sie gerne unsere Weine degustieren“, erzählt Heinz. „Die jüngsten Jahrgänge 2015 und 2016 sind Meilensteine für unsere Region.“ Das gilt nicht nur für Ornellaia, sondern auch für andere Top-Weingüter der Region. Zu diesen zählen Michele Satta, Donna Olimpia 1898, Argentiera und Grattamacco.
„Natürlich sind wir auch Konkurrenten. Aber wir haben ein gut nachbarschaftliches, ja freundschaftliches Verhältnis“, erzählt mir Heinz. Man verabrede sich oder treffe sich oft auch zufällig. „Bolgheri ist ein kleines Anbaugebiet mit vielen kleinen Produzenten.“ Der deutsche Chefönologe passt mit seinem wuscheligen, dunklen Lockenkopf perfekt nach Italien. „Wenn ich in Bolgheri in die Bar della Posta auf einen Café gehe, treffe ich oft Kollegen“, erzählt Heinz. Die Bar ist von mächtigen Festungsmauern umschlossen. Sie ist Treffpunkt und Nachrichtenbörse in einem. Genauso wie die Enoteca Tognoni. „Da gibt es einfaches, aber gutes Essen und fast jeden Wein aus der Region“, schwärmt Heinz. Die Wände sind bis an die Decke mit Weinregalen gefüllt. Darunter sind auch Heinz‘ Zweitwein Le Serre Nuove und sein Drittwein Le Volte. Sogar edle Tropfen wie seinen Ornellaia können Besucher hier bestellen.
Ein Wein, den die Kritiker lieben
Verglichen mit großen französischen Marken sind die Top-Weine aus Bolgheri immer noch günstig. Auch wenn junge Weine zum Teil weit über hundert Euro pro Flasche kosten. Für ältere Jahrgänge legen Weinkenner auch mal einige Tausend Euro auf den Tisch. Den Urteilen der Kritiker zufolge sind die Flaschen ihr Geld offenbar auch wert. Heinz‘ Ornellaia und andere Top-Weine der Toskana bekommen von Weinpäpsten wie Robert Parker und James Suckling regelmäßig Höchstwertungen.
Für jedes Gericht der passende Wein
„Solche Weine passen wunderbar zu einer Bistecca Fiorentina in der Osteria Magona“, empfiehlt mir Heinz. Die Osteria Magona liegt gleich neben Ornellaia im Park einer kleinen Villa. Natürlich umgeben von den Weingärten. Im Magona werden Fleischliebhaber glücklich. Küchenchef Omar Barsacchi grillt mit Leidenschaft Riesensteaks.
„Wer Fleisch mag, muss in die Osteria Magona und wer Fisch liebt, zu Luciano“, betont Heinz. Luciano Zazzeri ist Fischer und Sternekoch. Sein Restaurant La Pineta, direkt am Sandstrand von Marina di Bibbona, ist nur 15 Minuten von der Zypressenallee entfernt. Nach einer letzten Weindegustation in Bolgheri lasse ich mein Auto lieber stehen. Ich bestelle mir ein Taxi und lasse mich die Zypressenallee hinunter chauffieren. Das Meer funkelt in der Abendsonne. Und tatsächlich: Lucianos Fischgerichte sind köstlich. Die Weinkarte ist eher ein Weinbuch. Es ist so schwer, dass es vom Kellner auf einem Wagen herangerollt wird. Kein Wunder, dass einem Winzer dieses Restaurant gefällt!