Sagres: Zu zweit in der südwestlichsten Gemeinde Europas
Ein Abstecher nach Sagres ist eine ganz besondere Grenzerfahrung. Vor dem kleinen Fischerörtchen an der portugiesischen Algarve liegt der südwestlichste Zipfel des europäischen Festlandes: das Cabo de São Vicente, eine windumtoste Klippe. Sagres weckt Sehnsucht und Fernweh. Der Ort strotzt aber auch vor Geschichte und Mythen rund um Heinrich den Seefahrer. Wir lassen uns in Sagres den Wind um die Nase wehen, genießen am Klippenrand Arm in Arm die famose Aussicht und träumen.
Wenn der Wind die Frisur zerstrubbelt
Das Ende der Welt ist nah. Und wir stürmen mit Feuereifer darauf zu, denn wir wollen heute einen der romantischsten Orte Portugals kennenlernen: das Cabo de São Vicente. Ein Kap, das in längst vergangenen Tagen tatsächlich das Ende der damals bekannten Welt bedeutete. Der Weg dorthin beschert uns nicht nur fantastische An- und Aussichten. Bei jedem Schritt spüren wir die Urgewalt des Atlantiks. Die Wellen brechen sich an den Klippen der Küste. Unsere Frisuren sitzen zwar schon lange nicht mehr, aber wen stört das schon bei solch einem Naturspektakel!
Mit der Sonne um die Wette strahlen
Die Region um das Cabo de São Vicente ist eine der spektakulärsten Landstriche der Algarve. Die Sonne blinzelt noch zögerlich durch die Wolken. Mit dem Leuchtturm im Rücken schießen wir ein paar Fotos. Hier mangelt es nicht an herrlichen Motiven. Wir genießen das grandiose Landschaftskino. Der hier gezeigte Film ändert sich mit dem Spiel des Lichts und wird von der Urgewalt der Natur geprägt. Am „Blowhole“ unweit des Leuchtturms sorgen die Wellen, die in der Tiefe an einen Felsen prallen, für ein natürliches Konzert, während der Wind unaufhörlich und lautstark durch ein kleines Loch pfeift.
Jetzt geht’s um die Wurst
Langsam bekommen wir Hunger. Wie gut, dass zwei Deutsche von Ostern bis Oktober am Cabo de São Vicente die „letzte Bratwurst vor Amerika“ verkaufen. Liebe, auch die zu diesem magischen Ort, geht bekanntlich durch den Magen. Auch wenn wir hier an der Algarve eigentlich keine deutsche Küche vermissen, sorgen die Würstchen „Made in Germany“ für eine wahre Gaumenfreude – noch dazu für kleines Geld.
Forte de Beliche: Eintauchen in die Geschichte
Wir spazieren weiter zur Fortaleza de Belixe. Wieder ein tolles Fotomotiv – und ein geschichtsträchtiges noch dazu. Die Festung aus dem 17. Jahrhundert thront hoch über dem Atlantik, bedrohlich nah an der Felskante. Fast so, als wolle sie den darunter liegenden Strand Praia do Beliche bewachen. In der Nebensaison ist der windgepeitschte Strand oft menschenleer.
Heinrich der Seefahrer: Prinz oder Pirat?
Wir haben uns vor dem Abstecher ans Ende Europas ein wenig schlau gemacht. Jetzt prahlen wir gegenseitig mit unserem angelesenen (Halb-)Wissen. Wenn wir populären Geschichtsschreibern Glauben schenken dürfen, hatte der legendäre „Heinrich der Seefahrer“ hier seinen Wohnsitz. Doch meine Begleiterin stellt schnell klar, dass sein Name trügt. Denn Heinrich war eigentlich Prinz. Selbst zur See gefahren sei er nie, erfahre ich. Dafür unterstützte er zahlreiche Entdeckungsfahrten von „echten“ Seefahrern, vor allem entlang der Westküste Afrikas.
Fortaleza de Sagres: Windrose im XXL-Format
Ich erfahre, dass Heinrich viele Gelehrte aus den Bereichen Astronomie, Kartenkunde und Navigation an seinen Hof eingeladen hat. Immer mit dem Ziel, bessere Schiffe zu entwickeln und die Bedingungen für die Seefahrt zu verbessern. Er war maßgeblich am Aufstieg Portugals zur Seemacht beteiligt. Der Prinz mischte auch beim Bau des Fortaleza de Sagres mit. Die stolze Verteidigungsanlage und legendäre Seefahrerschule aus dem 16. Jahrhundert liegt ebenfalls südlich von Sagres. Heute stehen noch die ehemalige Pfarrkirche, Wohngebäude und Zisternentürme des Fortaleza de Sagres. Eine besondere Sehenswürdigkeit ist die gigantisch große Windrose mit einem Durchmesser von unglaublichen 43 Metern.
Auf den Spuren von Obelix
Wir machen einen Abstecher zum etwas nördlich von Sagres gelegenen Menhir-Rundweg. Auf dem zwei Kilometer langen Pfad geht es von Hortas do Tabual vorbei an rund 5.000 Jahre alten, Hinkelstein-ähnlichen Steinen. „Zum Obelix fehlt dir nur noch die gestreifte Hose“, flachst meine Frau, während ich so tue, als könne ich einen der Stein-Giganten auf meinen Rücken laden.
Sonnenuntergang am Klippenrand
Nach so viel Frischluft knurrt der Magen – bevor wir zum Dinner gehen, wollen wir aber noch den atemberaubenden Sonnenuntergang erleben. Also schnell zurück zum Auto und noch mal zum „Ende der Welt“. Zum Abschluss eines faszinierenden Tages genießen wir in trauter Zweisamkeit bei einem mitgebrachten Bierchen den Sonnenuntergang über dem Cabo de São Vicente. Nachdem die Sonne am Horizont verschwunden ist, wird es allmählich kühler. Wir packen unsere sieben Sachen, schlendern am Farol, dem Leuchtturm, vorbei zum Auto und machen uns auf den kurzen Weg zurück nach Sagres. Um den Bilderbuch-Tag abzurunden, gönnen wir uns noch eine Cataplana (Fischeintopf) im Restaurant Retiro do Pescador. Mehr Algarve-Genuss geht kaum!
Unser Fazit: Nach einem Tag am Ende der Welt in Sagres fallen wir glücklich ins Bett. So viel Naturgewalt, Geschichte und Romantik erlebt man selten an einem einzigen Tag.