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Ein Rosengarten, so groß wie sechs Fußballfelder

Bevor ich mich mit der Kunst des ätherischen Öls beschäftige, möchte ich die Pflanzen erst einmal in voller Pracht bewundern. Ich starte meine rosige Spurensuche im Rosarium des Fürst-Boris-Parks in Sofia. Die Gartenkunst des Rokoko lässt grüßen. Ihre verspielte Form erhielten die Beete im 20. Jahrhundert. Damals gestaltete der bulgarische Landschaftsarchitekt Georgi Duchtew den Park in Sofias Zentrum um und pflanzte Rosenstöcke an. 2.000 neue Pflanzen gedeihen seit 2019 in dem Rosengarten. Er ist übrigens so groß wie sechs Fußballfelder. 

Weiter Blick über ein Rosenfeld im Nebel. Quelle: mauritius images / Cavan Images / Evgeni Dinev, mauritius images / Cavan Images

Auf einer Bank inmitten von Sofias Rosenfeldern genieße ich den Sonnenschein. Die Blüten riechen angenehm. Doch es ist kein Vergleich zu dem betörenden Duft der Rosa Damascena oder Rosa Centifolia. Die Osmanen brachten die Pflanzen vor 300 Jahren aus dem heutigen Iran über die Türkei nach Bulgarien. Und mit ihnen das Geheimnis des Öls. Schon seit der Antike nutzen Parfüm-Hersteller, Heilkundige und Luxusköche das ätherische Öl. Etwa drei bis vier Tonnen Blüten – zwei Lastwagenladungen – braucht man für ein Kilogramm bulgarisches Rosenöl, das mindestens 4.000 Euro kostet. 

Buntes Treiben am „Frauenmarkt“

Nun möchte ich mir selbst schöne Rosen gönnen. Ich suche einen Blumenladen und probiere mein Glück am Zhenski Pasar, dem bulgarischen „Frauenmarkt“. Der kunterbunte Outdoor-Handelsplatz am Stefan Stambolov Boulevard ist der älteste in Sofia. Seinen politisch unkorrekten Namen hat er aus Zeiten, in denen es noch Sitte war, Geschäfte und Familienplanung miteinander zu verbinden. Wer zum Tausch von Rosenöl mit Damaszener-Rosen und anderen Waren nach Sofia kam, nutzte die Gelegenheit auch gleich zur Partnerschau.

Für alle Pflanzenfans ist eine Reise nach Sofia ein Muss.

Heute lockt der Markt vor allem jene, die frische Lebensmittel und Handgemachtes lieber direkt beim Erzeuger kaufen. In entspannter Atmosphäre können Besucher schauen, plaudern, stöbern und naschen. Es gibt fast alles, und das zu günstigen Preisen. Nur die Rosen sind verhältnismäßig teuer, dafür aber in bester Qualität und wirklich wunderschön. Doch leider riechen sie nicht einmal halb so gut wie die im Park. Gibt es keine Pflanzen mit intensiverem Duft? Die nette Blumenhändlerin nickt. In Bulgarien ist das die Geste für „Nein“. Sie zuckt mit den Achseln und rät: „Fahren Sie ins Tal der Rosen!“ 

Blick auf viele unterschiedliche Rosen, die verpackt nebeneinander stehen. Quelle: McKinsey Jordan / EyeEm Mobile GmbH, McKinsey Jordan / EyeEm Mobile G, McKinsey Jordan

Die Idee gefällt mir, denn ich habe das Tal schon einmal besucht. Dort wird jedes Jahr am ersten Juniwochenende das Rosenfest gefeiert. Die Einheimischen singen und tanzen in bunten Bauerntrachten und lassen Blütenblätter regnen. Damit feiern sie die Rosenernte, die meist zwischen Anfang Mai und Ende Juni stattfindet. Bei einem leckeren Pastagericht im Restaurant „Rosé“ genieße ich die Vorfreude auf meinen Ausflug.

Tal der Rosen: Wo es überall duftet

Am nächsten Morgen sitze ich im Bus. Nach drei Stunden bin ich in der Rosenhauptstadt Kasanlak. Schwerer, süßer Geruch erfüllt die Luft. Hier regiert im Frühling und im Sommer die Königin der Blumen. Zwischen den Gebirgen Balkan und Sredna Gora erstreckt sich das größte Rosenfeld der Welt. Am Morgen ist der Duft der Rosen besonders intensiv. Es zieht mich in die Destillerie von Enio Bonchev. Dort erfahre ich, wie aus der Rosa Damascena und anderen bulgarischen Rosen das ätherische Öl entsteht. Wasserdampf-Destillation lautet das Stichwort! Im Rosenmuseum beschäftige ich mich mit der stolzen Geschichte des bulgarischen Öls. Für mich das außergewöhnlichste Exponat: ein Öl-Gefäß (Konkuma), das seit 1947 leer ist und noch immer duftet.

Auf einem Holztisch stehen zwei Flaschen Rosenöl neben einem gebundenem Lavendel-Strauß. Quelle: Alamy / Olga Ionina, mauritius images / Alamy / Olga Ionina, mauritius images / Alamy / Olga

Bei einem anschließenden Bummel durch das kleine Städtchen entdecke ich unzählige Produkte mit Rosenöl und -wasser oder ganzen Rosenblüten. Düfte, Öle und Shampoos, Gebäck und Schokolade, Marmelade und Likör aus lokaler Herstellung werden angeboten. Ich entscheide mich für eine handgemachte Seife und eine Holzfigur mit Schnupperprobe.

Rosenöl und Rosentee für Genießer

Zurück in Sofia setze ich meinen Rosenspaziergang fort. Dort haben Firmen wie Bulgarian Rose, Rose of Bulgaria und Karlovo Geschäfte. Bei Karlovo probiere ich den Schokoaufstrich mit Haselnuss und Rosen. Ein tolles Mitbringsel für Freunde oder Familie. In meinem Lieblingsladen Gifted Sofia gibt es Bio-Kosmetik in modernem Design. Auch natürliches Rosenwasser von Trake oder Rosennebel von Rose Over Dose finde ich in den Auslagen. Zum Abschluss gehe ich in das hübsche „Teehaus in der Fabrik“. Dort trinke ich den besten Rosentee Sofias.

Mein Fazit: Ob Rosenöl, Tee oder Rosenwasser: In Sofia und Umgebung dreht sich alles um die Königin der Pflanzen. Ein Ausflug in die bulgarische Hauptstadt ist ein absolutes Muss für alle Fans mit grünem Daumen.

Carsten Heinke

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