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Hogmanay: Verkleidet abtauchen

Hogmanay ist wohl das schottischste aller Feste: Weil Weihnachten für viele Schotten an Bedeutung verloren hat, zelebrieren sie den Jahreswechsel mit Verwandten und Freunden umso intensiver. Sie gehen von Haus zu Haus und wünschen sich das Beste für das neue Jahr. Mit einer Fackelprozession beginnen auch die Festivitäten in Edinburgh – und das schon am 30. Dezember. Bis zum Neujahrsmorgen feiern die Einwohner der Hauptstadt eine riesige Party. Dazu gehören Feuerwerke auf der Burg und ein Mega-Konzert in den Princes Street Gardens. Die ganz Harten starten mit einem Kälteschock ins neue Jahr: Sie stürzen sich am Neujahrsmorgen bunt verkleidet in die Fluten des Firth of Forth.

30. Dezember: Kirmes und Buden

9 Uhr: Black Pudding zum Frühstück

Wir beginnen den Tag im Edinburgh Larder unweit des Bahnhofs Waverley. Das kleine Café hat sich auf die Fahnen geschrieben, nach dem Prinzip farm-to-table zu arbeiten. Seine Produkte bezieht es von ausgesuchten Bauernhöfen in Schottland. Das schottische Nationalgericht Haggis steht hier nicht auf der Speisekarte, dafür gehört ein Black Pudding zum „full breakfast“. Es gibt auch jede Menge Eiergerichte sowie ein vegetarisches und ein veganes Frühstück mit viel Gemüse.  

11 Uhr: In die Hogmanay-Traditionen eintauchen

Nun stürzen wir uns ins bunte Jahreswechsel-Treiben in Edinburgh. Die ganze Stadt gleicht zum Jahreswechsel einer Kirmes: Die vielen bunten und wilden Fahrgeschäfte an der Princes Street und Richtung Royal Mile sorgen für Adrenalinschübe. Die Buden des Weihnachtsmarkts an den Princes Street Gardens bleiben über den Jahreswechsel hinaus stehen. Während wir durch die Stadt schlendern, ziehen auch die Schotten von Haus zu Haus. Dieser Brauch hat sich entwickelt, weil lange nicht mehr so viele von ihnen Christen sind. Die Einwohner Edinburghs klingeln bei Nachbarn, Freunden und Verwandten. Sie wünschen sich ein gutes neues Jahr, treten ein und halten ein Schwätzchen. Darum ist Hogmanay auch nicht nur irgendein Brauch an Silvester, sondern dauert gleich mehrere Tage.

13 Uhr: Mittagspause vom Trubel 

Eine gewaltige Kuppel, Säulen und opulente Verzierungen. In diesem ehemaligen Bankgebäude wurde an nichts gespart. Wir finden, das The Dome ist genau die richtige Adresse für ein Mittagessen zum Jahreswechsel. Die Mittagskarte ist umfangreich, es gibt schottisches Entrecôte und Steaks, Burger und Wild. 

14:30 Uhr: Prozession mit Dudelsack

Es geht los. Wir kaufen eine Fackel und gesellen uns zu den Tausenden anderen Menschen, die von der Royal Mile in einem Fackelzug hinunter in die neue Stadt marschieren und dann weiter auf den Calton Hill. Zehn Pfund kostet jede Fackel, die Einnahmen gehen an wohltätige Zwecke. Mitlaufen kann jeder. Die langen Prozessionen werden von den traditionellen Pipes (Dudelsackspieler) und Drums (Trommler) angeführt. Die Stimmung ist eine ganz besondere – friedlich und freundlich. Die mittelalterliche Stadt mit ihren alten Häusern und dem Kopfsteinpflaster tut ihr Übriges. 

18 Uhr: Bei Bier und Whisky im Pub

Nach dem Fackelumzug im feucht-kalten Wetter ist uns die Kälte in die Glieder gekrochen. Wie gut, dass die Küche Schottlands so herzhaft, bodenständig und deftig ist. Rund um Calton Hill gibt es unzählige Pubs. Wir kehren im The Conan Doyle ein. Hier gibt es Haggis, Shepherd’s Pie und Stew. Dazu trinken wir ein Pint frisch gezapftes Bier. Ein guter Whisky von der Insel darf selbstverständlich auch nicht fehlen. 

31. Dezember: Eine Stadt in Ekstase 

11 Uhr: Ruhe vor dem Feier-Sturm

Ausschlafen ist angesagt, denn der Abend wird lang. Wir frühstücken in unserem Hotel direkt an der Royal Mile. Das moderne Gebäude sticht aus den imposanten Altbauten heraus, passt aber genau deswegen perfekt hierher. Gegensätze ziehen sich doch an. Aus dem Hotelzimmer haben wir die hübschen Häuser der Royal Mile im Blick. Tipp: Wer zum Hogmanay nach Edinburgh kommt, sollte sich so früh wie möglich um ein Hotel kümmern. Viele Häuser sind lange im Voraus ausgebucht, die Preise schießen in die Höhe. 

13 Uhr: Shopping an der Royal Mile

Nach dem Frühstück im Hotel wollen wir frische Luft schnappen. Wir bummeln über die Royal Mile. Kleine, traditionelle Läden reihen sich aneinander. Wir stöbern und erstehen das eine oder andere Souvenir. Für die Hogmanay-Feierlichkeiten braucht man unbedingt einen warmen Pulli oder mindestens einen kuscheligen Schal für den Abend. Wer das nicht im Gepäck hat, findet an der Royal Mile tolle Produkte aus Kaschmir. 

15 Uhr: Early Afternoon Tea

Wir gehen zum Afternoon Tea in die Colonades at the Signet Library. Die Bibliothek ist die Heimat der Society of Writers of Her Majesty’s Signet, einer angesehenen juristischen Vereinigung. Die Kolonnaden allerdings sind frei zugänglich. Hier wird „the finest afternoon tea in Edinburgh“ versprochen und es geht traditionell zu. Sandwiches und Kuchen werden auf Silber-Etageren serviert. Neben einer umfangreichen Tee-Karte gibt es sogar eine eigene Signet-Mischung. 

Lust auf einen einzigartigen Jahreswechsel? Auf zum Hogmanay!

16:30 Uhr: Edinburgh mit Aussicht

Wir laufen weiter zur Esplanade der Burg. Von hier oben haben wir einen hervorragenden Überblick über all das Gewusel in den Princes Street Gardens, wo die Bühne für den Abend bereits aufgebaut ist. In die Burg selbst dürfen wir an diesem Tag nicht. Wegen der Vorbereitungen für die Feuerwerke am Abend, die am Edinburgh Castle gezündet werden, ist die Mauer abgesperrt.

18:30 Uhr: Von den schottischen Inseln

Das Restaurant Ondine nennt sich selbst ein „proper seafood restaurant“. Hier gibt es Fisch, Hummer und Meeresfrüchte, direkt von den schottischen Inseln und von Fischern, die nachhaltig wirtschaften. Roy Brett, der Küchenchef, lässt sich in der Regel etwas sehr Besonderes zu Silvester einfallen. Daher ist es sinnvoll, schon früh zu reservieren. 

Feuerwerk über der Stadt Edinburgh in der Abenddämmerung. Quelle: Alamy / Jacek Nowak, mauritius images / Alamy / Jacek Nowak

21 Uhr: Feuerwerk bis weit nach Mitternacht

Der Abend ist ein buntes Gemisch aus Tradition und Moderne. Beim „Concert in the Gardens“ treten Weltstars auf, am Mound tanzen Schotten und Besucher beim Ceilidh zu Live-Musik von wechselnden Bands. Ceilidh war vor langer Zeit das gälische Wort für ein Zusammentreffen jeglicher Art. Heute ist es der Name des traditionellen Tanzes in Schottland. An Silvester allerdings nimmt man es mit den Regeln nicht so genau. Jeder darf mittanzen. Um 21 Uhr ist der Himmel über der Stadt hell erleuchtet. Das erste Feuerwerk ziert die Dunkelheit. Noch drei Stunden bis Mitternacht. 

Mitternacht: Frohes neues Jahr auf Schottisch

Jetzt kommt der richtig große Knall. Die Feuerwerke in den vergangenen Stunden waren nur der Countdown. Wilde, bunte Lichter erhellen die Burg und den Calton Hill gegenüber. Und dann singt die ganze Stadt „Auld Lang Syne”, das berühmte Abschiedslied des Dichters Robert Burns. Es ist quasi die zweite schottische Hymne. Alle liegen sich in den Armen, ob Freunde oder Fremde. Und wir stehen mittendrin. Das Mitsingen ist kein Problem, denn der Text wird auf Leinwänden angezeigt. Und danach geht die Party weiter. Was für ein Start ins neue Jahr!

Blick auf die erleuchtete Forth Bridge bei Nacht. Quelle: mauritius images / Alamy / chris-w / Stockimo, mauritius images / Alamy / chris

Neujahrstag: Bad in der eiskalten Nordsee

9 Uhr: Wagen wir den Sprung ins kalte Wasser?

Neues Jahr, gute Vorsätze, gesundes Frühstück: In der Hula Juice Bar beim Grassmarket gibt es nicht nur frisch gepresste Säfte und Smoothies, sondern auch jede Menge Bowls mit frischem Obst und Körnern und die verschiedensten Eiergerichte. Die Location ist wie ein gemütliches Wohnzimmer in Pastellfarben eingerichtet.

11 Uhr: Raus aus Edinburgh, rein ins Neujahr

Der Firth of Forth ist eine Meerenge bei Edinburgh und besonders in den kalten Wintermonaten eine mystische Schönheit. Oft ist es neblig, graue Wolken hängen tief am Himmel und nur selten blitzt die Sonne hindurch. Heute wird der Ort zum Schauplatz eines verrückten Spektakels namens Loony Dook. Verkleidet stürzen sich die „Loony Dookers“ – Schotten und Besucher, die mutig und kälteunempfindlich sind – in die eiskalte Nordsee. 1000 Leute können jedes Jahr mitmachen, die Anmeldung kostet zwölf britische Pfund.

Schleppen sich dort nur übernächtigte Partymenschen hin, um mit einem Schlag wieder fit zu werden? Falsch! Viele planen das Bad von langer Hand und tragen sogar farbenfrohe Kostüme. Am einfachsten kommt man mit dem Mietauto nach South Queensferry. Busse und Züge bedienen die Haltestelle Dalmeny. Einen fixen Zeitpunkt für das Spektakel gibt es nicht, denn es hängt von den Gezeiten ab, wann die Schwimmer in die Nordsee dürfen. Bevor sie sich in die Fluten stürzen (oder nur kurz eintauchen), gibt es eine laute, bunte Parade in dem kleinen Ort. Die „Loony Dookers“ marschieren durch die Straßen – manche nur in Badehose und Bikini, andere in karnevalsähnlichen Kostümen. Vom Pirat über den Pilot bis zum Monster von Loch Ness ist fast alles dabei. 

Unser Fazit: Silvester wird irgendwie überbewertet. Jedes Jahr ist es ein großes Hin und Her: feiern, entspannter Spieleabend – oder doch mal etwas ganz anderes? Der Hogmanay in Schottland ist für uns der beste Weg, um ins neue Jahr zu starten.  

Verena Wolff

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