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Mekka der Zweiradlegenden

Sportprofis wie der viermalige Tour-de-France-Gewinner Chris Froome oder der Deutsche Emanuel Buchmann kommen schon seit Jahren nach Gran Canaria, Teneriffa und Lanzarote. Bei ganzjährig mildem Klima hetzen sie schwitzend Vulkanhänge hinauf, sausen Serpentinen hinab und bereiten sich so auf die Königsklasse der Radrennen vor: Tour de France, Giro d’Italia, Vuelta a España. 

Fahrradfahrer in Tazacorte auf La Palma, Kanarische Inseln. Quelle: Matteo Minelli

Die Inselgruppe im Atlantik bietet perfektes Trainingsterrain. Auf kurzer Strecke geht es vom Strand bis über die Wolken. Berge mit Steigungen von deutlich mehr als 20 Prozent bringen Zweirad-Athlet:innen in Topform. Zudem tanken die Profis in Höhenlagen reichlich Sauerstoff: Das hilft bei Höchstleistungen. Aber du musst längst nicht zur Radsport-Elite gehören, um die Kanaren auf dem Rad erkunden zu können. Internetforen und -blogs sind inzwischen randvoll mit Erfahrungsberichten begeisterter Amateure. Lust auf ein Abenteuer im Sattel? Hier findest du Tipps von zwei Fahrradverrückten, die die Kanaren auf dem Drahtesel erobert haben.

Zum Fahrradfahren auf die Kanaren

Höhenmeter mit Belohnung

Der Biker Matteo Minelli hat für die Liebe vieler Radfahrer:innen zu den Kanaren eine einfache Erklärung: „Das Fahrrad hat die perfekte Reisegeschwindigkeit: Es ist langsam genug, damit man die Schönheit der Inseln genießen kann, und schnell genug, um das große Ganze zu sehen.“ Hinzu kommt: Neue Materialien und Technologien machen Räder und Ausrüstung immer leichter. Selbst auf mehrtägigen Touren ist man inzwischen mit relativ leichtem Gepäck unterwegs. Sein immenses Orts- und Routenwissen sammelt Matteo, der 2007 für einen Surfurlaub kam und aus Liebe zum Zweirad blieb, auf einer wunderschönen Internetseite – eine digitale Schatztruhe voller Routenpläne, Fährzeiten und Logistik-Tipps. Wer sich die Höhenmeter zutraut, wird mit der einmaligen Vielfalt der Kanaren belohnt: unberührte Natur, alte Dörfer, Sandwüsten, bizarre Steinlandschaften, tropische Wälder und Vulkane. Für jeden Fahrradtyp gibt es die passende Strecke, von Offroad bis Asphalt.

Blick auf den Teide, Vulkan auf Teneriffa. Quelle: Matteo Minelli
Ein Fahrrad lehnt an einer verputzen Wand mit Holztür. Quelle: Matteo Minelli

Kaufen, leihen und reparieren kann man etwa im Fuerteventura Bike Shop in Gran Tarajal. Ersatzteile hat Besitzer Rubén Calvo meistens auf Lager.

Das Radrennen für Verrückte

Die meisten Radwanderer starten auf der vergleichsweise flachen Insel Lanzarote. Dort hat Matteo einen Geheimtipp: Tapas und fangfrischen Fisch im El Lago in Arrieta, im Nordosten Lanzarotes. Hier lassen sich Einheimische die vorzügliche lokale Küche bei wunderbarem Meerblick schmecken – ein absolutes Highlight nach einem langen Tag im Sattel. Weiter geht es auf Fuerteventura, Gran Canaria, Teneriffa und wahlweise El Hierro oder La Palma. Fähren verbinden die sieben Inseln mehrmals täglich miteinander. Für alle, die wahrlich ein Rad ab haben, organisiert Matteo das Audax-Fahrradrennen. Innerhalb weniger Tage werden 600 bis 800 Kilometer quer über die Inseln zurückgelegt.

Ein Fahrradfahrer repariert seine Fahrradkette. Quelle: Matteo Minelli

Die Abfahrtszeiten der Fähren geben den Takt vor. Um zu gewinnen, müssen es die Teilnehmer:innen so früh wie möglich auf die Boote schaffen. In Shops und Tapasbars können sich die Fahrer:innen mit Wasser, Kaffee und Bocadillos (Sandwiches) mit Serrano-Schinken versorgen. Mancher nächtigt im Schlafsack unter freiem Himmel – „eine ganz besondere Erfahrung“, berichtet Matteo, denn wenig Kunstlicht sorgt auf den Kanaren für einen klaren Blick in den Sternenhimmel.

Auf die entspannte Tour

Oder du gehst die Sache entspannt an, so wie Helena Vercaemst. Die belgische Kinderpsychologin war mit ihrem Mountainbike 15 Tage auf Matteos Trail-Route unterwegs. Sternenklare Nächte, Sonnenaufgänge auf dem Vulkan, Mondlandschaften auf Lanzarote und wilde Kontraste auf El Hierro – Helena war begeistert. Stand ihr der Sinn nach Strand, fuhr sie einfach hin. Auf manchen Abschnitten sah sie stundenlang niemanden, kam sich vor, wie der einzige Mensch auf der Welt.

Blick auf eine kurvige Straße in Tejeda, Gran Canaria, Kanarische Inseln. Quelle: Matteo Minelli

Allerdings hat ihr die Schönheit der Kanaren physisch und mental einiges abverlangt. „Das ist das Besondere am Bikepacking“, sagt Helena, „alles ist intensiver. Die Natur ist wunderschön, die Anstrengung enorm, die darauffolgende Freude umso größer. Jede Mahlzeit, jedes abendliche Bier schmeckt unglaublich gut.“ Nur einmal, da zerlegte es ihr nach einem Sturz das Schaltwerk. Weil sie allein unterwegs war, brauchte sie die Hilfe von Ortsansässigen. Die waren zum Glück sofort zur Stelle. In einem Fahrradladen in Playa Blanca auf Lanzarote ließ sie ihr Rad reparieren. Weiter ging's. Ob sie daran gedacht hat, aufzugeben? „Natürlich ist das ein wichtiger Aspekt beim Bikepacking“, sagt Helena. „Das Leben ist nie ohne Risiko. Wer bereit ist, aus seiner Komfortzone herauszutreten, wird mit einer Erfahrung fürs Leben belohnt.“

Entdecke die Schönheit der kanarischen Inseln – auf dem Fahrrad

Der Artikel ist erstmals im WINGS Magazin erschienen.

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