Kultur & Wasser: 48h Radtour durch Münster
Tag 1: Zwielichtige Gestalten und Wein
8:45 Uhr: Frühstücken wie die Studis
Münster ist eine Studentenstadt. Was liegt da näher als ein Frühstück im Studenten-Style? Das Teilchen & Beschleuniger liegt in der lebhaften Wolbecker Straße hinterm Bahnhof. Es gibt Bagels mit Frischkäse, Salat und Tomaten. Hier ist die Stadt anders als in den Reiseführern – Hipster treffen auf Bahnhofsszene, Studierende auf Bankangestellte. So gestärkt geht’s mit dem Rad durch die Eisenbahnunterführung in Richtung Innenstadt zum Picasso-Museum.
10 Uhr: Picasso von oben
Das Picasso-Museum ist das einzige seiner Art in Deutschland. Den Vorplatz des Museums ziert ein Picasso-Porträt aus 13.783 Pflastersteinen, das nur aus der Vogelperspektive zu erkennen ist. Das denkmalgeschützte Haus in rotem Backstein fügt sich stilvoll in die Münster-Arkaden, einer Shopping-Mall mit Marmorboden.
12:30 Uhr: Was sind Töttchen?
Echt westfälisch in uriger Atmosphäre mit Schachbrett-Fußboden, Kronleuchtern und Fliesen an der Wand – im Alten Gasthaus Leve lassen wir uns ein Mittagessen schmecken. Wer Innereien mag, kann Töttchen probieren, eine Art Ragout aus Münster. Auf das frisch gezapfte Bier aus dem Steinkrug verzichten wir, schließlich schwingen wir uns gleich wieder aufs Fahrrad
14 Uhr: Mit der „Leeze“ Richtung Aasee
Wir fahren mit dem Fahrrad, in Münster sagen wir „Leeze“ dazu, in Richtung Aasee. Natürlich über die Promenade, eine autofreie Allee, die einmal rund um den historischen Stadtkern führt. Wir bewundern die stattlichen Linden, achten auf die Jogger und schnellen Radfahrer, und stoppen kurz am Zwinger. Es geht weiter, vorbei an einem Baum mit seltsamen Früchten. Diese entpuppen sich bei näherem Hinsehen als ausgemusterte Schnuller tausender Kinder. Der Schnullerbaum am Flugzeug-Spielplatz ist beliebter Familien-Treff am Rande des Kreuzviertels. Zehn Minuten später erreichen wir das Schloss und streunen durch den Schlossgarten. Der Botanische Garten ist ein wunderbarer Ort zum Entspannen, die Fahrräder müssen draußen bleiben. Im Gewächshaus beschlägt die Brille, die feuchte, schwere Luft ölt die Atemwege. Den köstlichen Kuchen im „Schloßgarten-Café“ lassen wir heute ausnahmsweise links liegen, biegen wieder auf die Promenade und radeln zum Aasee.
15 Uhr: Immer den Skulpturen nach
Der Aasee ist eine Oase der Ruhe inmitten der Stadt und eine wahre Fundgrube für Kunst im öffentlichen Raum. Wir orientieren uns an der Skulpturen-Tour und beginnen am nördlichen Ufer des Aasees bei den berühmten, dreieinhalb Meter großen Billardkugeln von Claes Oldenburg. Der Pop-Art-Künstler hatte sie 1977 für die erste Skulptur-Ausstellung geschaffen. Weiter geht die Tour, vorbei an der Segelschule und Tretbootverleih, immer am Ufer entlang, wo sich die Weiden im Wasser spiegeln. Wir machen kurz Rast auf dem Steg, der in den Aasee ragt. Wir lassen unsere Blicke schweifen und entdecken die Hecken am Rand des Aasees, die die Hochhäuser am anderen Ufer verdecken. Mit etwas Phantasie sind das alles Skulpturen für uns. Wir fahren weiter und erschrecken uns am Ende des Aasees kurz: Ist das ein Löwe, der da brüllt? Intensiver Dung-Geruch lässt uns die Nase rümpfen. Wir erinnern uns: Nur ein Zaun trennt uns hier vom Allwetterzoo.
18 Uhr: Wie Komponisten Münster finden
Durch den kleinen Wald fahren wir Richtung Zooparkplatz. Schildkröten weisen uns den Weg und dann führt die Route zurück in Richtung Stadt. Ein kurzer Abstecher zum Zentralfriedhof, der passenderweise an der Himmelreichallee liegt. Dort besuchen wir das Grab von Moondog , der eine spannende Biografie vorzuweisen hat. Er lebte den ersten Teil seines Lebens in New York City und war dort als Straßenkünstler und Musiker sehr bekannt. Mitte der 70er Jahre zog Moondog nach Deutschland und wohnte und wirkte um und in Münster. Hier feierte er seine größten kommerziellen Erfolge. Die imposante Büste auf dem Friedhof lässt erahnen, welchen hohen Stellenwert er unter Musikern hatte. Wir setzen uns Kopfhörer auf und lauschen seinem „Bird’s Lament“ und überlegen, was wohl einen Menschen, der in New York gelebt und gewirkt hat, nach Münster gezogen haben könnte.
19 Uhr: Mit Münsteraner Kaufleuten speisen
Zurück in der Stadt geht’s in Münsters gute Stube, auf den Prinzipalmarkt mit seinen alten Giebelhäusern und den Bogengängen. Hier sieht Münster aus wie ein großes Freilichtmuseum, besonders im Dunkeln. Gott sei Dank ist heute nicht Montag, denn da hat Münsters urigstes Weinlokal geschlossen. So können wir mit dem Fahrrad auf einen Absacker in den Schoppenstecher einkehren. Hier ist es üblich, sich zu anderen Gästen an den Tisch zu setzen – nicht selten sind es zu späterer Stunde die Schauspieler aus dem Theater nebenan. Schnell kommen wir ins Gespräch. Das schiefe Bild vom sturen Westfalen: Im Schoppenstecher erleben wir das Gegenteil.
Tag 2: Stramme Waden und viel Kultur
8:30 Uhr: Gute Vorbereitung ist alles
Mit ein paar belegten Brötchen und Obst als Proviant starten wir heute, denn wir wollen was für unsere Waden tun. Wir fahren noch etwas mehr Rad als gestern. Unser Ziel: die Burg Hülshoff.
10:30 Uhr: Eine Radtour am Morgen …
… macht stramme Waden und leichten Muskelkater. Es geht Richtung Havixbeck: Felder ziehen an uns vorbei im Wechsel mit kleinen Wäldchen. Das Rauschen der A1 verstummt bald wieder, nachdem wir in Roxel sind. Unsere Route verrate ich euch hier. Und dann ist sie da, die Burg Hülshoff, Geburtshaus der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. Heute beherbergt das Wasserschloss das Center for Literature. Mit dem Audioguide wandeln wir durch die Bibliothek und genießen den Blick aus dem prachtvollen Gartensaal. Draußen im Garten essen wir unsere mitgebrachten Brötchen und das Obst. Achtung: Die Burg Hülshoff und das Haus Rüschhaus machen von Dezember bis April Winterpause. Dann ist die Besichtigung nur außen möglich. Ausnahmen: 1./8./15./22. Dezember (11:30 Uhr bis 17 Uhr) sowie 31. Dezember (10 bis 16 Uhr). Am besten vorab im Internet informieren.
14 Uhr: Wo Annette von Droste-Hülshoff lebte
Auf dem Rückweg nach Münster stoppen wir am Haus Rüschhaus in Münster-Nienberge. Wir haben eine persönliche Führung gebucht, um uns auch innen umschauen zu können in dem Haus, in dem die Droste ab ihrem 29. Lebensjahr wohnte.
16 Uhr: Radtour durch Münsters Altstadt
Nach dem Ausflug an der frischen Luft sind die Fahrradständer am Domplatz unser nächstes Ziel. Das holprige Kopfsteinpflaster lässt uns spüren, dass wir schon länger im Sattel sitzen. Wohl dem, der hier eine gefederte Gabel am Vorderrad hat. Auch die harten Holzbänke im Dom machen es nicht besser. Wir werfen noch einen schnellen Blick auf die Astronomische Uhr und gehen dann direkt gegenüber ins Landesmuseum für Kunst und Kultur.
18 Uhr: Italienische Pizza im Start-up-Hotspot
Der Hunger führt uns mit dem Fahrrad in den Hafen, der nicht nur ein Hotspot der Kultur-, Start-up- und Agenturszene ist. Hier haben wir auch die Qual der Wahl zwischen den vielen Restaurants. Wir entscheiden uns für die verlässlich gute Pizza im Café Med.
20 Uhr: Theater am Abend
Für den Abend haben wir Karten für das Wolfgang-Borchert-Theater. Das liegt vis-à-vis auf der anderen Seite des Hafenbeckens.
22 Uhr: Wie müde Radler wieder munter werden
Genug Kultur getankt, Zeit für einen runden Ausklang. Wir legen die schweren Beine auf die Beton-Bänke am Hafenbecken und blicken aufs Wasser. Hinüber zum rostigen Lastenkran, die Hafenkäserei und das B-Side und lassen den Tag am Hafen ausklingen. Zum Abschluss genießen wir noch einen Sex on the Beach-Cocktail im Hot Jazz Club.
Unser Fazit: Die Waden brennen ein wenig, der Hintern schmerzt ebenfalls. Doch diese Radtour hat sich definitiv gelohnt. Kein Wunder, dass Münster regelmäßig zu den lebenswertesten Städten Deutschlands gewählt wird.