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Steile Sache – das Abenteuer Standseilbahn

Linus ist sieben und völlig fasziniert von allem, was fährt. Ich weiß nicht, was mein Neffe bei einer historischen Standseilbahn erwartet hat. Aber ganz offensichtlich nicht das: ein Holzwagen, der fast lautlos in die Station einfährt. "Der rumpelt und rattert ja gar nicht", meint er enttäuscht. Sein älterer Bruder Nils inspiziert bereits neugierig den mit viel glänzendem Messing ausgestatteten Teakholzwagen. "Hier hat's 1929 schon so ausgesehen, als die Bahn in Betrieb ging", verrate ich. Aber diese Information über das liebenswerte, erst kürzlich sanierte Überbleibsel einer anderen Zeit ist für die beiden schon nicht mehr interessant. Denn die Fahrt am 550 Meter langen Stahlseil geht los. Und es wird – große Kinderaugen! – ordentlich steil auf dem Weg vom Südheimer Platz in Heslach ins grüne Blätterdach überm Stuttgarter Waldfriedhof. Knapp fünf Minuten brauchen die beiden Wagen, die unterwegs aneinander vorbeifahren, für die 85 Meter Höhenunterschied – entschieden zu kurz für die Herren Neffen! Also nochmal runter und nochmal rauf mit der damals schnellsten und ersten automatischen Standseilbahn Deutschlands. Nur unter Protest und mit der Aussicht auf ein weiteres spannendes Gefährt – den rasanten Fahrstuhl im Fernsehturm Stuttgart – lässt sich Linus zum Weiterlaufen überreden.

Blick über die Stuttgarter Innenstadt. Quelle: Stockeurope

Froschbeine und Adrenalin: Action im Wald

"Geister? Echt jetzt?" Nils rollt mit den Augen, als wir am alten Garnisonsschützenhaus vorbeikommen. Es steht seit Jahren leer und sieht ein bisschen gruselig aus. Viel spannender findet er, dass unter unserer Waldidylle die Autos durch den Heslacher Tunnel donnern. Noch interessanter ist aber der kleine Teich, der jetzt am Weg wartet: Kaulquappen oder, besser noch, Frösche finden, durchs Unterholz schleichen, Libellen beobachten ... Später dann geht es eine ganze Zeit lang bergauf – und gerade, als das Neffen-Duo nicht mehr so recht weiter mag, kommt eine Handvoll Mountainbiker um die Ecke. Von einer Holzplattform aus stürzen sie sich den Woodpecker Trail hinunter, zwei Minuten Adrenalin auf Stuttgarts Downhillstrecke. Linus und Nils sind kaum zu halten und würden am liebsten auch hinunter rasen. Gut, dass ich noch Datenvolumen fürs Handy habe: Die Actioncam-Filme von der Abfahrt sind immerhin ein Trost.

Zwei Downhill-Biker fahren durch den Wald. Quelle: Robert Niedring MITO images GmbH / Alamy, Robert Niedring MITO images GmbH

Spannende Expeditionen im Bann der Bäume

Jetzt geht es quer durch Degerloch, immer Richtung Fernsehturm. Von der trubeligen Hauptstraße – schnell mit ein paar kalten Limos aus dem Supermarkt die Vorräte aufgestockt – hinauf ins Villenviertel und an den Waldrand. Der Turm lugt immer mal wieder über die Hausdächer. Die Aufgabe für die jüngsten Expeditionsteilnehmer auf den nächsten paar hundert Metern: am Boden liegende Stöcke finden, die wir nachher übers Lagerfeuer hängen können. Buchen geben die besten Spieße ab. Aber erst schauen wir uns die extra für junge Besucher konzipierte Mitmach-Ausstellung im Haus des Waldes an. Spannend, was sich da so alles draußen zwischen den Bäumen tummelt, die wir durch die riesige Fensterfront beobachten können. Spannend auch, was Wald und Stadt verbindet.

Lasst euch von der historischen Standseilbahn zum Wanderausflug in Stuttgart bringen.

Stockbrot macht die kleinen Kletterer stark

Aber Lagerfeuer machen ist auch nicht schlecht. Wir schlendern zum nahe gelegenen Waldspielplatz, wo es eine Grillstelle gibt. Dank herumliegender Äste und zwei, drei Holzscheiten aus dem Rucksack prasselt's schnell ganz munter. Wurst und Stockbrot-Teig haben wir dabei – Achtung, nicht zu schwarz werden lassen! Nichts schmeckt leckerer, als das, was man sich selbst zurecht gekokelt hat, der würzige Duft von Rauch in Klamotten und Haaren inklusive.

Zwei Stockbrote werden über ein Lagerfeuer gehalten. Quelle: Wulf Voss

Und gut, dass wir uns gestärkt haben, denn jetzt heißt's: klettern! Das Kletterzentrum Stuttgart gehört zu den größten Anlagen dieser Art weltweit – und nach Voranmeldung und einer kurzen Einführung können sich die Jungs beim Bouldern ausprobieren. Dabei geht's beim Klettern nicht höher, als man abspringen kann, am Boden liegen weiche Matten.

Ein Kletterer mit Talkum in den Händen. Quelle: Sergey Mironov

Pfeilschnell in den Himmel: der Stuttgarter Fernsehturm

Das nächste Ziel unserer Expedition ist nicht zu übersehen: der Stuttgarter Fernsehturm. Von hier aus scheint die schlanke, 217 Meter hohe Betonnadel mit den Antennen am wolkenlosen Himmel zu kratzen. Linus kann's kaum erwarten, die Aussichtsplattform des Wahrzeichens zu entern. Pfeilschnell und lautlos katapultiert uns der Aufzug nach oben, neben der Tür ein kleiner roter Punkt, der den rasenden Aufstieg im Turm markiert. Oben gibt's dann kein Halten mehr: Da! Der Flughafen mit startenden Minimaschinen! Dort entdeckt VfB-Fan Nils die Mercedes-Benz-Arena, hier liegt die City in schwindelerregender Tiefe und dahinten spannen sich Schwarzwald und Schwäbische Alb. Wir bleiben bis die Sonne untergeht. Dann geht's mit der U15 von der Haltestelle Ruhbank wieder runter in die Stadt. Der Kreis schließt sich, von der alten Standseilbahn in Heslach zum modernen Fernsehturm im Himmel über Stuttgart – ein ereignisreicher Tag für den Familienurlaub.

Der Stuttgarter Fernsehturm von unten. Quelle: Stefan Weigand Panther Media GmbH / Alamy, Stefan Weigand Panther Media Gmb, Stefan Weigand Panther Media GmbH

Mein Fazit: Für ein kleines Abenteuer muss man nicht weit reisen. Der Wald vor den Toren Stuttgarts bietet viele Möglichkeiten, die Natur auf spielerische Weise zu erkunden.

 

Jens Bey