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Sohn Daniel ist schon außer Atem, bevor er das Paddel überhaupt in die Hand nimmt. Badezeug, Schnorchel und der große Rucksack mit dem Proviant: Wie soll das bitte alles auf unser feuerrotes Zweier-Kanu passen? Während ich dem Siebenjährigen ganz pädagogisch die Vorteile des „Weniger ist mehr“ erkläre, löst der Vater ganz pragmatisch das Problem: Den Rucksack schultert er. Er will heute auf eigene Faust einen Teil des Rundwanderwegs Camí de Cavalls im Naturschutzgebiet S'Albufera d'es Grau wandern. Wie praktisch, dass seine Wanderung fast parallel zu unserer Kanu-Tour verläuft. Ein Tupfer Sonnencreme auf alle drei Nasenspitzen, ein Abschiedskuss – und dann schiebe ich unser Boot ins flache Wasser des Strandes von Es Grau.

Ein Junge sitzt vorn in einem Kanu und paddelt über das Wasser. Quelle: Jürgen Müller

Badebuchten wie aus dem Bilderbuch

Das Meer glitzert türkisblau unter unserem Kanu. 300 Meter vor uns erhebt sich das erste Ziel unserer Kanutour: die Illa d'en Colom. Auf der unbewohnten Felseninsel soll es hübsche Buchten geben. Zwanzig Minuten braucht man laut Kanuverleih ins Naturschutzgebiet. Ob wir Anfänger das schaffen? „Klar!“, sagt Daniel und schlägt sein Paddel ins Wasser. Mir platscht ein Schwung Salzwasser ins Gesicht. Wie ging das noch mal? Genau: Blatt nach vorne, ganz ins Wasser eintauchen, schön gleichmäßig einmal links, einmal rechts, möglichst im gleichen Takt. Nach ein paar Minuten sind wir ein gut eingespieltes Team und ziehen zügig übers spiegelglatte Mittelmeer. Das Wasser des Naturschutzgebietes ist nie tiefer als 1,80 Meter: eine Art großes Planschbecken – ideal für Kinder!

Eine Steinhöhle bei Cova De Coloms. Quelle: NATUREWORLD / Alamy

Wir umrunden die ersten Felsenausläufer und stoßen auf eine Bucht wie aus dem Bilderbuch: Knorrige Kiefern breiten ihre Äste über hellen Sand am Strand. Doch zum Schwimmen ist das Meer hier zu seicht. Also paddeln wir weiter die Küste der Insel entlang, bis zum Arenal d'en Moro, einem hübschen Sandstrand vor einer versteinerten Düne.

Schnorcheln zwischen Neptungras

Daniel springt begeistert in die seichte See, ich setze die Schnorchelbrille auf. Kleine Fische flitzen zwischen den Felsen hin und her, auf dem Sandboden wogt eine Wiese aus Neptungras. Die Pflanze hat eine wichtige ökologische Funktion: Sie versorgt das Wasser mit Sauerstoff – und die welk gewordenen Pflanzenreste, die an die Küste gespült werden, schützen die Natur vor Erosion. Menorca ist die Baleareninsel mit den höchsten Posidonia-Beständen: Für die Insulaner ein Grund zum Stolz!

Unter Wasser schwimmt ein bunter Fischschwarm. Quelle: Detlev Loll
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Picknicken umgeben von Wildblumen

Das Kind drängelt zum Aufbruch. Auf der anderen Seite des Strandes soll es eine Höhle geben. Die kann er sich bei seiner ersten Kanutour unmöglich entgehen lassen. Tatsächlich: Wind und Wellen haben einen knapp acht Meter langen Tunnel in die graubraunen Gesteinsschichten vor Menorca gegraben. Daniel übernimmt das Kommando und lotst unser Boot geschickt hindurch: „Mehr Steuerbord, Mama!“ Noch zwei Tage Urlaub auf Menorca, und mein Sohn nimmt es mit jedem Seeräuber auf.

„Guck mal, ein Pirat!“ ruft Daniel fast wie auf Knopfdruck. Vor einem trutzigen Wehrturm an der Cala des Tamarells steht ein großer Mann, stemmt die Arme in die Hüfte und blickt suchend übers Meer. Das blauweiß gestreifte Tuch auf seinem Kopf ähnelt irgendwie wie dem T-Shirt seines Vaters. „Papa!“ Bei Daniel macht es schneller Klick. Als wir ein paar Minuten später das Kajak an Land ziehen, hat der Piratenvater schon die Picknickdecke am Natur-Strand ausgebreitet und wir packen Tomaten, Käse und Oliven aus dem Rucksack. Im Rücken eine rot-, weiß-, gelb getupfte Frühlingswiese und die Kiefernwäldchen des Naturschutzgebiets, vor uns das Meer und darüber ein strahlend blauer Himmel: Kann es einen schöneren Picknickplatz auf der Insel geben?

Von Turm zu Turm auf dem „Pferdeweg“

„Na, wie war die Wanderung?“ Daniel schaut seinen Vater erwartungsvoll an, als unsere kleine Familie wieder vereint ist. Die zweistündige Wanderung auf dem Küstenwanderweg „Camí de Cavalls“ haben ihn ganz schön ins Schwitzen gebracht. Wegen der Aussicht musste er natürlich auf jede Klippe klettern und den Wehrturm an der Cala des Tamarells ganz genau inspizieren. Der mit einem Hufeisen gekennzeichnete Weg verbindet die unzähligen Wehr- und Leuchttürme der Insel: Wie an einer großen Perlenkette reihen sich moderne Leuchttürme und die trutzigen Bauten der prähistorischen Talayots aneinander. Manche sind über 2000 Jahre alt. Daniel lauscht gebannt. Als der Papa ihm das Bild des Leuchtturms Favàritx zeigt, der wie eine Zuckerstange gemusterten ist, tippt er entschlossen auf das Display: „Da will ich morgen hin.“

Wegweiser des Wanderweges Cami De Cavalls. Quelle: Mel Stuart

Während die beiden Pläne für den nächsten Tag schmieden, breite ich das Handtuch auf dem warmen Sandstrand aus. Vögel zwitschern, eine sanfte Brise fährt durch die Wacholderbüsche hinter mir und ich blicke in den weiten blauen Himmel über Menorca. Hoch oben stehen ein paar Möwen in der Luft, über ihnen kreist majestätisch etwas Braungefiedertes. Ob das wohl ein Fischadler ist? Unbedingt nachgucken und Daniel erzählen, denke ich noch, bevor ein sanftes Meeresrauschen mich in den Schlaf wiegt. In meinem Mittagstraum tauchen waschechte Piraten durchs Posidonia-Gras und wir drei sitzen hoch oben auf einem Leuchtturm der Insel und baumeln mit den Beinen. Allerdings: Schöner als in Wirklichkeit ist auch der geträumte Menorca-Urlaub nicht.

Fundació Foment del Turisme de Menorca Quelle: David Alonso Rincon

Mein Fazit: Menorca ist mit seinem artenreichen Naturschutzgebiet S'Albufera d'es Grau ein erlebnisreiches Ausflugsziel für Familien. 

Julia Macher

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