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Unterwegs zwischen Streetart und Streetfood

Ich stehe mit meiner Familie vor einem Labyrinth aus Lagerhallen und Hinterhöfen. Fast alle Hauswände und Mauern sind von Streetart geziert: Knallig bunte Bilder mit extravaganten Motiven. Willkommen in Wynwood, dem hipsten Stadtteil von Miami und vielleicht sogar ganz Floridas. Besonders unsere Kinder haben Spaß an den farbenfrohen Kunstwerken an den Häuserfassaden. Obwohl nur zehn Kilometer westlich von South Beach, war dieses Viertel lange der schäbige Hinterhof von Miami. Ob Werke von den Street-Art-Künstlern Miss Van oder Fafi: Heute trifft sich hier die Kunstszene aus aller Welt – und Wynwood Yard ist das Sammelbecken ihrer Lieblingsrestaurants. Mehr als ein Dutzend Gastronomen haben sich hier in umgebauten Wohnmobilen oder farbenfrohen Lieferwagen ihren Traum vom Restaurant verwirklicht. Ein Schlemmer-Paradies für Familien. Wieso? Kinder essen nicht gern mit Messer und Gabel, da kommt es gelegen, dass sich hier fast alles um Fingerfood dreht. Außerdem können sie beim Essen herumspringen, während wir Eltern uns ganz entspannt durch die vielen leckeren Landesküchen Amerikas probieren. Hier kommen alle Einflüsse zusammen, die Miami definieren und zu einer dynamischen Metropole machen: die Karibik, Südamerika und natürlich die USA. Genau hier starten wir unsere kinderfreundliche Gaumen-Tour.

Ein Gebäude mit buntem Muster steht unter blauem Himmel. Quelle: E. C. Crippen

Superfood und Italian Pizza unter dem Sonnenschirm

Meine Frau und ich erklären unseren Kindern, dass wir uns erstmal nach einer leichten Speise umsehen möchten – schließlich wollen wir heute noch einiges probieren. Doch die Ansage verhallt im Nichts, denn der Nachwuchs stürmt bereits auf den Foodtruck von Morgan’s Pizza zu. Die dampfenden Stücke aus dem Holzofen ziehen lange Käsefäden beim Abbeißen, der Traum-Snack für die Kleinen. Mit ihrem Stück in der Hand begleiten sie uns vergnügt zum nächsten Stand. Wir Eltern entscheiden uns für ein Gericht, das in Florida gerade angesagt ist: eine Green Bowl nach hawaiianischem Vorbild mit Grünkohl, Avocado, Linsen und grüner Soße. Mit Superfood und Superkids lassen wir uns zum Essen unter Sonnenschirmen an einem Tisch nieder und kommen mit einer einheimischen Familie ins Gespräch. Sie zeigen auf unsere Bowls. Eine süße Variante davon gäbe es unweit von hier im St. Roch Market, es sei das Lieblingsdessert ihrer Kinder. Das lassen wir uns nicht zwei Mal sagen und spazieren los in Richtung Design District, der ebenfalls in der Nähe von Miami Beach und Downtown Miami liegt.

Eine Hand spritzt Öl auf eine Pizza. Quelle: Nicolas Holtzmeyer

Mit der Familie auf den Food-Märkten von Miami

Ein paar Blöcke weiter Richtung Norden erreichen wir das Designviertel. Vor wenigen Jahren hatte der Teil Miamis noch keinen Namen, dafür aber einen höchst dubiosen Ruf. Heute futtern wir uns hier zwischen Edelboutiquen weiter durch die Kochtöpfe Miamis. Der empfohlene, überdachte Food Market liegt in einer ruhigen Nachbarschaft, in der kein Haus mehr als zwei Stockwerke hat. In Miami haben 2017 und 2018 sieben solcher Märkte eröffnet. Obwohl der St. Roch Market zu den schickeren gehört, lieben die Kinder und auch wir Eltern das Konzept. Die Anbieter zaubern hier alle erdenklichen und kinderfreundliche Speisen. Uns Dessert-Suchenden fällt die Auswahl denkbar schwer: Die kleinen Stände locken mit Wassermelonensalat, vierstöckigen Cupcakes oder Matcha-Eis serviert in frischen Kokosnusshälften. Wo die Kleinen skeptisch sind, steuern die netten Verkäufer mit Kostproben entgegen. Und dann finden wir die besagten süßen Bowls bei Sweet Blendz. Bei der „Super Hero“-Mischung mit knallbunten Früchten, Kokosmilch, Granola und Kakaoraspeln wird Superfood auch für Kinder unwiderstehlich. Doch erstmal genug genascht, jetzt tut ein kleiner Verdauungsspaziergang gut. Dazu wollen wir einen anderen Stadtteil Miamis besuchen: Little Havana.

Eine Hand hält ein veganes Sandwich gefüllt mit Zwiebeln, Tomaten, Paprika und Kohl. Quelle: Rustic Vegan

Verdauungsspaziergang durch Little Havana

Keine 15 Minuten Autofahrt später erreichen wir das kleine Kuba und fühlen uns wie in einer anderen Welt. Hier haben sich zehntausende Kubaner niedergelassen, die wenig Lust auf ein Leben unter Diktator Castro hatten. Ihre Kultur, ihr Temperament und ihre Küche haben sie mit in die USA genommen. Wir flanieren über die Calle Ocho, die Hauptschlagader von Little Havana. Die Kinder staunen über die alten Männer, die im Domino-Park an den Tischen gekonnt ihre weißen Steinchen positionieren. Mitspielen kommt leider nicht in Frage, weil die Exil-Kubaner die goldene Regel aufgestellt haben, dass alle Spieler mindestens 55 Jahre alt sein müssen. Der Anblick aber ist unvergesslich: Männer und Frauen, die den Tag unter freiem Himmel genießen, Zeit scheint hier keine Rolle zu spielen. Das ist selten geworden in unserer hektischen Welt.

Vier Domino Spielsteine stehen auf einem Holztisch mit abgeblätterter grüner Farbe. Quelle: Shaun Wang

Einmal kubanische Vanille im Becher, bitte!

Wir spazieren weiter zum Cuba Tobacco Cigar Co., wo dicke Zigarren mit der Hand gedreht werden. Das fällt ebenfalls unter die kulinarischen Erlebnisse dieses Urlaubs – auch wenn die Tabakblätter wegen des Wirtschaftsembargos aus der Dominikanischen Republik stammen. Als wir die Straßenseite wechseln, melden sich die Kinder: Sie wollen ein zweites, diesmal eiskaltes Dessert. Beim Anblick des Eisladens Azucar Ice Cream wird uns schnell klar, was ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Über dem kleinen Verkaufsraum hängt eine gigantische Eiscreme-Plastik mit übergroßen knallbunten Kugeln, Saucen und Kirsche, fast schon ein Kunstwerk – mit Appetitgarantie beim bloßen Ansehen. Karibische Aromen wie Passionsfrucht stehen hier ebenso auf der Speisekarte wie experimentelle Geschmacksrichtungen, etwa Roasted Marshmallow S'mores, Avocado oder kubanische Vanille. Der eindeutige Favorit unserer Kinder: Birthday Cake, Eiscreme mit Geburtstagskuchen-Geschmack. Während sie ihre Kugeln schlecken, teste ich unter auf einer Bank unter Palmenblättern eine frischgedrehte Zigarre.

Freiluft-Dinner mit karibischem Flair

Da wir lediglich Tapas-Portionen zu uns nehmen, haben wir auch am frühen Abend noch ein wenig Appetit, als wir South Beach und den Art Deco District ansteuern. Bei den geschwungenen Gebäuden, den bunten Leuchtreklamen und unter Palmen fühlen wir und die Kinder uns wie in einer Fantasiewelt. Vergnügte Familien und Paare tummeln sich in der belebten Española Way, einer Fußgängerzone im Art Deco District und wir freuen uns, dass wir einen Tisch unter freiem Himmel im kinderfreundlichen Restaurant Havana 1957 ergattern können. In diesem exotischen Lokal fühlen wir uns nicht nur in die 1950er Jahre zurückversetzt, sondern probieren auch außergewöhnliche kulinarische Spezialitäten. Etwas zögerlich, aber dann doch hellauf begeistert trauen sich die Kinder an Fritten aus Maniok und kleine herzhafte Küchlein aus Kochbanane. Dabei beobachten wir das bunte Treiben auf den Straßen Miamis und freuen uns auf einen anschließenden Spaziergang im weißen Strand von South Beach, nur fünf Gehminuten von hier. Das Meer können wir förmlich schon riechen.

Hände halten Grillfleisch am Holzspieß auf dem Grill. Quelle: Larry Sinanto

Fazit: Beim kulinarischer Familienurlaub in Miami entdecken Familien den Sunshine State über den Gaumen. Enjoy!

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