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Der beißende Geruch brennt in der Nase, mir wird speiübel. An uns laufen zwei Männer vorbei, die gemeinsam eine dicke Bambusstange tragen, an der ein Leinensack baumelt – befüllt mit einer undefinierbaren weiß-grauen Masse. „Das ist der Geruch des Geldes,“ teilen die Männer uns mit. Wir, acht Personen, die die nächsten zwei Tage im Dschungel unterwegs sein werden, schauen sie zweifelnd an. Bei der Masse handelt es sich um Kautschuk, der auf einer Plantage vor den Toren des Gunung-Leuser-Nationalparks jeden Morgen frisch gezapft wird. „Wir benutzen den Kautschuk, um die Bevölkerung aufzuhalten“ erklärt Bim, unser Tourguide von Bukit Lawang Jungle Trekking. „Wisst ihr, was ich meine?“ Da er in fragende Gesichter schaut, löst er das Rätsel schnell auf: Aus dem Kautschuk werden Kondome hergestellt. Der Gestank und der Trubel lassen uns kurz vergessen, warum wir eigentlich hier sind: die berühmten Sumatra-Orang-Utans.

Sie sind die Stars des Regenwaldes, aber in den letzten Jahrzehnten ist ihr Lebensraum immer weiter geschrumpft. Hauptverantwortlich dafür ist die Nachfrage nach einer ganz anderen Pflanze als Kautschuk: der Ölpalme. Eine Pflanze, die uns alltäglich begegnet, vom Frühstücksaufstrich bis zur Gesichtscreme. Ihre Plantagen erstrecken sich von Bukit Lawang bis ins fast 90 Kilometer entfernte Medan, der Hauptstadt Sumatras. Rund 80 Prozent des Regenwaldes auf Indonesiens größter Insel mussten in den letzten Jahrzehnten dem Palmölanbau weichen. Endemische Tierarten wie der Sumatra-Orang-Utan oder der Sumatra-Tiger, die nur hier vorkommen, sind vom Aussterben bedroht.

Ein Orang-Utan-Männchen lugt aus seinem Blätternest hervor. Quelle: Belinda Boge
Orang-Utans bauen sich jede Nacht aufs Neue ein Nest aus Zweigen und Blättern in den Bäumen. Darin schlafen sie zusammengerollt – und gerne lang.

Ein Rascheln, das alle verrückt macht

Wir haben gerade die Kautschukplantage hinter uns gelassen, als es plötzlich raschelt. Rüttelt da jemand an einem Ast? Und oben im Baum leuchtet doch etwas rotbraun, oder? Richtig: Ein Orang-Utan-Männchen ist soeben erwacht. Noch ganz schlaftrunken streckt es erst den einen, dann den anderen Arm in die Höhe, bevor es aus seinem Blätternest hervorlugt. Während uns vor Aufregung der Atem stockt, interessiert das Männchen sich nicht sonderlich für uns. Lieber legt es sich wieder in sein Schlafnest – in luftiger Höhe gebaut. Anders als die Orang-Utans auf Borneo verbringen die Tiere auf Sumatra ihre Zeit am liebsten in den Bäumen und kommen nur selten auf den Boden – der Sumatra-Tiger ist ihr natürlicher Feind. Zum Schlafen bauen sie sich jeden Abend ein neues Nest. Dieser Lebensweise im Wald verdanken sie auch ihren klangvollen Namen Orang-Utan: Orang bedeutet auf Indonesisch Mensch und Hutan Wald – Waldmensch.

Als Waldmensch kann man auch unseren Guide Bim bezeichnen. Seit 17 Jahren ist er im Regenwald unterwegs und kennt ihn in- und auswendig. Erst war er als Assistent mit dabei, mittlerweile ist er zertifizierter Guide und nimmt mehrmals wöchentlich Reisende mit in den Dschungel. Den richtigen Weg würden wir ohne ihn im Dickicht des Waldes nie finden. Hier und da hält er an, zeigt uns Parasiten- und Weihrauchbäume, erzählt leidenschaftlich Geschichten von Sumatra-Tigern und Riesenameisen und betont immer wieder, dass im Dschungel alles möglich sei. Geboren und aufgewachsen ist Bim in Bukit Lawang, der Regenwald ist auch sein Zuhause. Er lehrt uns, respektvoll mit ihm und seinen Bewohnern umzugehen. Dies trifft nicht auf alle Guides und Touranbietern in der Region zu. Immer wieder werden wilde Tiere gefüttert, damit Tourist:innen Instagram-würdige Fotos schießen können.

Tourguide Bim steht mit einer Wandergruppe im Regenwald und teilt sein Wissen. Quelle: Belinda Boge
Tourguide Bim ist in Bukit Lawang geboren und aufgewachsen. Seit 17 Jahren führt er Reisende durch den Dschungel, immer auf der Suche nach Orang-Utans. Zwischendurch erzählt er spannende Geschichten oder teilt nützliches Wissen über den Regenwald.

Sieben Jahre Überlebenstraining im Dschungel

Seit Stunden haben wir keinen Orang-Utan mehr gesehen. Ich ziehe mich an einer Liane hoch, meine Lunge brennt, ich bin schweißgebadet von der hohen Luftfeuchtigkeit. Doch als ich endlich auf der Lichtung stehe, ist die Anstrengung wie weggeblasen. Ich kann mich gar nicht sattsehen an den üppigen Grüntönen und selbst die schwüle Luft legt sich plötzlich kühlend auf meine Haut. Bim und zwei Assistenten wollen gerade unser Mittagessen auspacken, als es zu rascheln beginnt. „Orang-Utan, Orang-Utan!“ Schnell ist das Nasi Goreng, das schon so köstlich roch, wieder eingepackt. Eine wilde Orang-Utan-Dame schwingt sich mit ihrem etwa fünf Monate alten Jungen auf uns zu. Rund sieben Meter Abstand sollten wir halten, doch was tun, wenn das Tier direkt auf einen zukommt? Die Orang-Utan-Dame stoppt abrupt, bewegt sich dann aber langsam in einem großen Halbkreis um uns herum. Währenddessen mustert sie uns neugierig. Da ich als einzige eine Kamera mit Teleobjektiv dabeihabe, fragt mich Bim, ob ich nicht mal nachsehen könnte, welches Geschlecht das Jungtier hat. Ich zoome so nah wie möglich heran, es ist ein Männchen.

Eine Orang-Utan-Dame zeigt ihrem Jungtier, wie es durch die Bäume des Regenwalds klettern kann. Quelle: Belinda Boge
Bis zu sieben Jahre bleibt ein Orang-Utan-Baby bei seiner Mutter und lernt von ihr alles, was es zum Überleben im Regenwald braucht – zum Beispiel, welcher Ast sich am besten zum Schwingen eignet.

Nach der Geburt bleibt ein Orang-Utan-Baby in der Regel sechs bis sieben Jahre bei seiner Mutter. In dieser Zeit lernt es von der Mutter alles, was es zum Überleben im Dschungel braucht: Nahrungssuche, Nestbau, Sozialverhalten, den Umgang mit verschiedenen Umgebungen, das Klettern in den Bäumen und die Fähigkeit, zu entscheiden, welcher Ast das eigene Gewicht trägt. Der Abstand zwischen den Geburten einer Orang-Utan-Dame beträgt sieben bis acht Jahre – das längste Geburtenintervall aller Menschenaffen.

Zwei anstrengende Wandertage und eine mittelbequeme Nacht im Camp liegen hinter uns. Wir stehen erschöpft, aber randvoll mit Eindrücken für ein ganzes Leben, am Fluss Bohorok und wollen gerade ins Schlauchboot steigen, das uns zurück nach Bukit Lawang bringt, als es wieder im Regenwald raschelt. „Orang-Utan, Orang-Utan“, rufen alle aufgeregt. Wir schauen hoch in die Bäume. Dort, wo sich zwei Äste gabeln und eine Art Guckloch freigeben, fliegt eine Orang-Utan-Dame mit ihrem Jungtier auf einem Ast förmlich in unser Blickfeld. Wir beäugen uns intensiv. Ist es die Dame vom Vortag? Wir wissen es nicht. Ganz sicher aber ist es ein letzter Gruß der Waldmenschen.

Eine Wandergruppe durchquert den Fluss Bohorok auf der indonesischen Insel Sumatra. Quelle: Belinda Boge
Die meisten Dschungeltouren enden am Fluss Bohorok – von dort geht es mit einer Art Schlauchboot, gebaut aus mehreren Reifen, actionreich zurück nach Bukit Lawang.

So bereitest du dich auf deine Indonesien-Reise mit Dschungel-Trekking vor

Anreise

Von Deutschland aus erreichst du Sumatra am besten über Singapur. Direktflüge gibt es z. B. täglich ab Frankfurt. Von Singapur ist es dann ein Katzensprung nach Medan. Die Strecke wird von vielen örtlichen Airlines bedient. In Medan angekommen kannst du dir von deiner Unterkunft in Bukit Lawang eine private Fahrer:in organisieren lassen (Kosten ca. 300.000 IDR) oder selbstständig mit dem Bus (Kosten ca. 15.000 IDR) anreisen. Aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse dauert die Fahrt ca. drei Stunden. Da der Bus keinen festen Fahrplan hat und oft nicht sehr bequem ist, würde ich dir eine private Fahrer:in für die Strecke empfehlen.

Einreise

Deutsche Staatsangehörige benötigen für die Einreise nach Indonesien ein sogenanntes „Visa on Arrival“. Dieses erhältst du z. B. am Flughafen in Medan. Das Visum kostet derzeit 500.000 Rupiah (ca. 30 Euro) und kann vor Ort bar in Rupiah, Euro oder Dollar bezahlt werden. Bei Zahlung mit Kreditkarte wird eine Gebühr von drei Prozent erhoben. Eine einmalige Verlängerung des Visums um 30 Tage ist möglich.

Beste Reisezeit

Da es auf Sumatra keine ausgeprägten Regen- und Trockenzeiten gibt, lässt sich die indonesische Insel das ganze Jahr über gut bereisen. Zwischen April und Oktober fallen tendenziell weniger Niederschläge.

Touranbieter

Touren in den Gunung-Leuser-Nationalpark können bei jeder Unterkunft oder direkt beim Veranstalter gebucht werden. Anbieter, die sich auf umweltverträglichen Tourismus spezialisiert haben, sind Bukit Lawang Jungle Trekking und Sumatra Eco Travel. Eine zweitägige Wanderung mit Übernachtung im Regenwald kostet zwischen 80 und 100 Euro – Vollverpflegung inklusive. Die Touren werden entsprechend der Fitnesslevel der Teilnehmer:innen angepasst und sind so für alle Altersklassen und auch Familien mit Kindern geeignet.

Unterkünfte

In Bukit Lawang gibt es viele gute, einfache Unterkünfte. Ein Doppelzimmer ist oft schon ab acht Euro zu haben. Die beiden Reiseveranstalter:innen Sumatra Eco Travel und Bukit Lawang Jungle Trekking bieten neben Touren auch eigene Unterkünfte an. Weitere empfehlenswerte und günstige Gästehäuser sind das Ida Guest House & Restaurant oder das Garden Inn. In Bukit Lawang gibt es keine Geldautomaten und viele Unterkünfte akzeptieren keine Kartenzahlung. Hebe daher in Medan genügend Bargeld ab, um alle Kosten zu decken.

Gesundheit

Für eine Reise nach Indonesien ist es ratsam, dass du dich etwa zwei bis drei Monate vor deiner Abreise bei spezialisierten Ärzt:innen über notwendige Impfungen beraten lässt. Zusätzlich gehört Mückenschutz unbedingt ins Reisegepäck (z. B. von Nobite oder Antibrumm). Am besten kaufst du dir in einer indonesischen Drogerie oder im Supermarkt noch ein lokales Schutzmittel. Diese sind oft deutlich günstiger und wirksamer als Produkte aus Deutschland.

Wo soll es als nächstes hingehen? Nutze unseren Reiseberater und suche dein nächstes Traumziel!

Belinda Boge

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